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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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entsprechenden Artigkeit revanchieren: »Wie geht es Ihrem Großvater?«
    »Es geht ihm gut. Habe heute erst mit ihm zu Mittag gegessen.«
    »Eine großartige Persönlichkeit«, sagte Bloeckman streng. »Musterexemplar eines Amerikaners.«
    [275] Der Triumph der Lethargie
    Anthony sah seine Frau tief in der Hängematte auf der Veranda liegen, genüsslich einer Limonade und einem Tomatensandwich hingegeben und in ein offenbar lebhaftes Gespräch mit Tana über eines seiner komplizierten Themen vertieft.
    »In meinem Land«, Anthony erkannte die gleichbleibende Vorrede, »die ganze Zeit – die Leute – Leis essen – weil nicht haben. Können nicht essen, was nicht haben.« Wäre seine Nationalität nicht so hoffnungslos offensichtlich gewesen, hätte man meinen können, er habe sich die Kenntnis seines Herkunftslandes aus den Erdkundebüchern amerikanischer Grundschulen angeeignet.
    Als der Orientale endlich zum Schweigen gebracht und in die Küche entlassen worden war, wandte sich Anthony fragend an Gloria.
    »Es ist alles in Ordnung«, verkündete sie mit einem breiten Lächeln. »Und ich war noch überraschter als du.«
    »Es besteht kein Zweifel?«
    »Keiner! Könnte gar nicht!«
    Wohlgemut freuten sie sich, fröhlich vor neugeborener Verantwortungslosigkeit. Dann erzählte er ihr von seiner Chance, ins Ausland zu gehen, und dass er sich beinahe schäme, sie auszuschlagen.
    »Was meinst du dazu? Sag’s mir freiheraus.«
    »Aber Anthony!« Ihre Augen blickten erschrocken. »Willst du denn wirklich gehen? Ohne mich?«
    Er machte ein langes Gesicht – doch nach der Frage seiner Frau wusste er, dass es schon zu spät war. Ihre Arme [276] hatten sich, süß und würgend, um ihn geschlungen, denn seine Wahl hatte er im Jahr davor getroffen, im Zimmer des Plaza. Sein Ansinnen war ein Anachronismus aus der Ära derartiger Träume.
    »Aber natürlich nicht, Gloria«, log er in einem Anfall von Verständnis. »Ich dachte, du könntest als Krankenschwester oder dergleichen mitkommen.« Dumpf fragte er sich, ob sein Großvater das in Betracht ziehen würde.
    Als sie lächelte, ging ihm wieder auf, wie schön sie war, ein herrliches Mädchen von wunderbarer Frische und mit überaus ehrlichen Augen. Sie griff seinen Vorschlag mit schwelgerischer Intensität auf, hielt ihn wie eine eigenhändig geschaffene Sonne in die Höhe und wärmte sich an seinen Strahlen. Sie trug die wundervolle Kurzfassung einer Epopöe voll kriegerischer Abenteuer vor.
    Nach dem Nachtessen gähnte sie, des Themas überdrüssig. Aufs Sofa hingestreckt, wollte sie nicht mehr reden, sondern nur noch Penrod lesen, bis sie um Mitternacht einschlief. Anthony hingegen, romantisch hatte er sie die Treppe hinaufgetragen, blieb auf, um über den Tag nachzubrüten, irgendwie ärgerlich auf sie, irgendwie unzufrieden.
    »Was soll ich denn tun?«, fing er beim Frühstück wieder an. »Jetzt sind wir schon ein Jahr verheiratet und haben uns nur herumgequält, statt wenigstens tüchtige Müßiggänger zu sein.«
    »Ja, du solltest etwas tun«, gab sie, in umgänglicher und redseliger Stimmung, zu. Es war nicht die erste Diskussion dieser Art; da es jedoch meist Anthony war, dem die Rolle des Protagonisten zufiel, hatte sie gelernt, ihnen aus dem Weg zu gehen.
    [277] »Nicht etwa, dass ich mir wegen der Arbeit Gewissensbisse mache«, fuhr er fort, »aber Opapa könnte morgen sterben oder noch zehn Jahre weiterleben. Unterdessen leben wir über unsere Verhältnisse, und das Einzige, was wir vorzuweisen haben, ist ein bäurischer Wagen und ein paar Kleider. Wir halten uns eine Wohnung, in der wir bisher nur drei Monate gewohnt haben, und ein kleines altes Haus am Ende der Welt. Häufig langweilen wir uns, und trotzdem geben wir uns keine Mühe, irgendjemanden kennenzulernen, bis auf den immer gleichen Haufen, der sich den ganzen Sommer über in Kalifornien herumtreibt, Sportkleidung trägt und darauf wartet, dass die Familie stirbt.«
    »Wie du dich verändert hast!«, bemerkte Gloria. »Früher hast du mir erzählt, du verstündest nicht, weshalb ein Amerikaner nicht mit Anmut faulenzen könnte.«
    »Verdammt, da war ich noch nicht verheiratet. Und mein altes Gehirn hat mit Volldampf gearbeitet, aber jetzt dreht es sich immer im Kreis wie ein Zahnrad, das nichts zu greifen hat. Ja, ich glaube, wenn ich dich nicht kennengelernt hätte, würde ich etwas getan haben. Aber du machst den Müßiggang so raffiniert reizvoll…«
    »Oh, jetzt bin ich wohl an allem

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