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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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schuld…«
    »Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du auch. Aber ich bin schon fast siebenundzwanzig und…«
    »Oh«, unterbrach sie ihn verärgert, »du ermüdest mich! Redest so, als hätte ich etwas dagegen oder als würde ich dich daran hindern!«
    »Ich wollte doch nur darüber diskutieren, Gloria. Kann ich nicht einmal darüber…«
    [278] »Ich finde, du solltest stark genug sein, um…«
    »…um etwas mit dir bereden zu können, ohne gleich…«
    »…um deine Probleme zu lösen, ohne mich damit zu behelligen. Du redest immer nur davon, dass du arbeiten willst. Ich könnte sicherlich mehr Geld gebrauchen, aber beschwere ich mich etwa? Ob du nun arbeitest oder nicht, ich liebe dich.« Ihre letzten Worte waren so sanft wie leichter Schnee auf festgefrorenem Boden. Aber für den Augenblick merkte keiner auf den anderen – sie waren damit beschäftigt, ihre eigene Haltung zu verfeinern und zu vervollkommnen.
    »Ich habe gearbeitet – ein bisschen.« Dies, von Anthony, war wie ein unbedachtsamer Einsatz ungeübter Reservetruppen. Gloria lachte, zwischen Belustigung und Spott hin und her gerissen; sie verübelte ihm seine Sophisterei in demselben Maße, wie sie seine Nonchalance bewunderte. Niemals würde sie ihm vorwerfen, er sei ein kraftloser Müßiggänger, solange er es aus Überzeugung war, aus der Haltung heraus, dass nichts zu tun sich lohnte.
    »Arbeiten!«, höhnte sie. »Du trauriger Vogel! Du Aufschneider! Arbeiten – das bedeutet ein großes Herrichten von Schreibtisch und Beleuchtung, ein großes Anspitzen von Bleistiften und ›Gloria, sing nicht!‹ und ›Bitte, halt mir den verfluchten Tana vom Leib!‹ und ›Darf ich dir meinen ersten Satz vorlesen?‹ und ›Ich bin noch längst nicht fertig, Gloria, also bleib meinetwegen nicht auf!‹ und einen ungeheuren Verbrauch an Tee oder Kaffee. Und das ist alles. Nach etwa einer Stunde höre ich, wie der alte Bleistift zu kratzen aufhört, und schaue zu dir hinüber. Du hast ein Buch herbeigeholt und ›schlägst etwas nach‹. Dann liest du. Dann ein Gähnen – dann zu Bett und ein [279] Hin-und-her-Gewälze, weil du mit Koffein vollgepumpt bist und nicht schlafen kannst. Zwei Wochen später die ganze Vorstellung wieder von vorn.«
    Unter großer Anstrengung wahrte Anthony einen schmalen Lendenschurz an Würde.
    »Also, das ist wirklich leicht übertrieben. Du weißt verdammt gut, dass ich einen Aufsatz an den Florentine verkauft habe – und gemessen an der Auflage des Florentine hat er viel Aufmerksamkeit erregt. Und außerdem, Gloria, weißt du ganz genau, dass ich bis fünf Uhr morgens aufgesessen habe, um ihn zu Ende zu schreiben.«
    Sie verfiel in Schweigen und ließ ihn gewähren. Und falls er sich sein eigenes Grab nicht schon längst geschaufelt hatte, so stand er doch kurz davor.
    »Wenigstens«, schloss er lahm, »bin ich durchaus gewillt, Kriegsberichterstatter zu werden.«
    Aber das war Gloria auch. Beide waren sie gewillt – geradezu erpicht darauf, versicherten sie einander. Der Rest des Abends wartete mit Themen ungeheurer Gefühlsseligkeit auf: die Würde des Müßiggangs, Adam Patchs schlechter Gesundheitszustand, Liebe um jeden Preis.
    »Anthony!«, rief sie eines Abends eine Woche später über das Treppengeländer. »Da ist jemand an der Tür.«
    Anthony, der auf der sonnengefleckten Südveranda in der Hängematte geschaukelt hatte, schlenderte zur Vorderfront des Hauses. Am Ende des Gartenwegs kauerte wie eine riesige, träge Wanze ein ausländischer Wagen, groß und imposant. Ein Mann in einem weichen Seidenanzug mit passender Mütze begrüßte ihn.
    [280] »Hallo, Patch. Wollte Sie nur mal besuchen kommen.«
    Es war Bloeckman; wie immer noch eine Spur gewinnender, von feinerer Intonation, überzeugenderer Ungezwungenheit.
    »Ich freue mich schrecklich.« Anthony hob die Stimme zu einem rebenbedeckten Fenster: »Glo-ri-a! Wir haben Besuch!«
    »Ich sitze in der Wanne«, jammerte Gloria höflich.
    Mit einem Lächeln erkannten die beiden Männer die Triftigkeit ihres Alibis an.
    »Sie wird gleich hier sein. Kommen Sie hierher auf die Seitenveranda. Ein Drink gefällig? Gloria sitzt immer in der Badewanne – ein gutes Drittel von jedem Tag.«
    »Schade, dass sie nicht am Sound wohnt.«
    »Können wir uns nicht leisten.«
    Da die Bemerkung von Adam Patchs Enkel kam, fasste Bloeckman sie als eine Art Scherz auf. Nach fünfzehn mit scharfsinnigen Pretiosen angefüllten Minuten erschien Gloria, frisch in gestärktem

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