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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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und ihn umschloss. Gloria hatte [272] Pech gehabt. Ach, die Sache war nicht durchführbar, aber er sah sich doch in Khaki, wie alle Kriegsberichterstatter auf einen schweren Stock gelehnt, Portefeuille unter der Schulter – in dem Bemühen, wie ein Engländer auszusehen. »Ich möchte es überdenken«, gestand er. »Jedenfalls ist es sehr freundlich von Ihnen. Ich werd’s mir überlegen und Ihnen Bescheid geben.«
    Die Überlegung nahm ihn auf der ganzen Fahrt nach New York gefangen. Plötzlich hatte er eine dieser blitzartigen Erleuchtungen, wie sie allen Männern vergönnt sind, die sich von einer starken und geliebten Frau beherrschen lassen – sie erblicken eine Welt von härteren Männern, die unerbittlicher trainiert sind und mit den Abstraktionen des Geistes und des Krieges ringen. In dieser Welt würden Glorias Arme nur noch als die heiße Umarmung einer zufälligen Geliebten existieren, kühl begehrt und rasch vergessen…
    Diese fremden Traumgebilde umgaukelten ihn, als er in der Grand Central Station den Zug nach Marietta bestieg. Der Waggon war überfüllt; er konnte sich eben noch den letzten freien Platz sichern und warf erst nach etlichen Minuten einen ganz beiläufigen Blick auf seinen Nebenmann. Was er sah, war eine massige Mund- und Nasenpartie, ein geschwungenes Kinn und kleine Äuglein über Tränensäcken. Im Nu erkannte er Joseph Bloeckman.
    Beide erhoben sich gleichzeitig halb von ihrem Sitz, waren halb verlegen und tauschten so etwas wie einen halben Händedruck. Dann, wie um die Sache abzurunden, gaben sie beide ein halbes Lachen von sich.
    »Sie habe ich schon lange nicht mehr gesehen«, bemerkte [273] Anthony ohne Begeisterung. Sofort bedauerte er seine Worte und wollte anfügen: »Ich wusste gar nicht, dass Sie hier draußen wohnen.« Aber Bloeckman kam ihm zuvor, indem er freundlich fragte: »Wie geht es Ihrer Frau?«
    »Sehr gut. Wie ist es Ihnen ergangen?«
    »Exzellent.« Sein Tonfall verstärkte den Adel des Wortes noch.
    Es kam Anthony so vor, als hätte Bloeckman im Laufe des vergangenen Jahres ungeheuer an Würde gewonnen. Das gesottene Aussehen war verschwunden, endlich schien er ›durchgebraten‹. Außerdem war er nicht mehr zu sehr herausgeputzt. Die unpassenden albernen Krawatten, die er bevorzugt hatte, waren solchen mit kräftigem dunklem Muster gewichen, und seine rechte Hand, an der früher zwei schwere Ringe geprunkt hatten, war jeden Schmuckes bar und sogar ohne den frischen Glanz der Nagelpflege.
    Seine Persönlichkeit strahlte dieselbe Würde aus. Das letzte bisschen Aura von erfolgreichem Handlungsreisenden war von ihm abgefallen, jenes vorsätzliche Katzbuckeln, dessen niedrigste Form die Zote im Raucherabteil eines Pullmanwagens ist. Man konnte sich vorstellen, dass er sich, weil finanziell beneidenswert, eine gewisse Zurückhaltung zu eigen gemacht hatte und, weil gesellschaftlich gemieden, verstockt geworden war. Doch was immer ihm Gewicht statt Masse verliehen hatte, Anthony fühlte sich in seiner Gegenwart nicht länger einwandfrei überlegen.
    »Erinnern Sie sich noch an Caramel, Richard Caramel? Ich glaube, Sie haben ihn abends einmal getroffen.«
    »Ich erinnere mich. Er schrieb an einem Buch.«
    »Nun, er hat die Filmrechte daran verkauft. Dann haben [274] sie einen Drehbuchautor namens Jordan darauf angesetzt. Also, Dick ist Abonnent eines Zeitungsausschnittbüros und fuchsteufelswild, weil die Hälfte der Filmkritiker von der ›Kraft und Stärke von William Jordans Dämonischem Liebhaber ‹ redet. Den guten alten Dick erwähnen sie überhaupt nicht. Man könnte meinen, dieser Jordan hätte die Sache selbst ausgedacht und entwickelt.«
    Bloeckman nickte vielsagend. »In den meisten Verträgen steht, dass der Name des Originalautors bei bezahlten Werbemaßnahmen genannt werden muss. Schreibt Caramel noch?«
    »O ja. Fleißig. Kurzgeschichten.«
    »Na, das ist ja schön, das ist ja schön… Fahren Sie oft mit diesem Zug?«
    »Ungefähr einmal die Woche. Wir wohnen in Marietta.«
    »Nein, wirklich? Na, so was! Ich selbst wohne in der Nähe von Cos Cob. Hab mir erst kürzlich ein Haus dort gekauft. Dann liegen ja nur acht Kilometer zwischen uns.«
    »Sie müssen uns einmal besuchen kommen.« Anthony war erstaunt über seine eigene Höflichkeit. »Gloria wird sich bestimmt freuen, einen alten Freund wiederzusehen. Es kann Ihnen jeder sagen, wo das Haus steht – es ist unsere zweite Saison dort.«
    »Danke.« Dann, als wolle er sich mit einer

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