Die Schönen und Verdammten
letzten beiden Tagen für immer verlassen zu haben [290] glaubten – kam Bounds in kurzen Sätzen herbeigesprungen und erschien im Halbdunkel der Türfüllung.
»Welchen Tag haben wir, Bounds?«
»Den 22. Februar, glaube ich, Sir.«
»Ich meine, welchen Wochentag?«
»Dienstag, Sir.«
»Danke.«
Nach einer Pause: »Möchten Sie Ihr Frühstück, Sir?«
»Ja, und Bounds, bevor du es bringst, füll du mir doch einen Krug mit Wasser und stell ihn hierher ans Bett, ja? Ich habe ziemlichen Durst.«
»Jawohl, Sir.« Mit nüchterner Würde entfernte sich Bounds durch den Flur.
»Lincolns Geburtstag«, bekräftigte Anthony ohne Begeisterung, »oder Valentinstag oder was auch immer. Wann haben wir mit diesem verrückten Gelage angefangen?«
»Sonntagabend.«
»Nach der Andacht?«, äußerte er zynisch.
»Wir sind mit diesen Hansoms durch die ganze Stadt gejagt, und Maury hat sich zu seinem Kutscher gesetzt, weißt du nicht mehr? Dann sind wir nach Hause gekommen, und er hat versucht, uns ein paar Scheiben Speck zu braten – dann ist er mit ein paar verkohlten Resten aus dem Anrichteraum aufgetaucht und hat behauptet, sie seien ›im wahrsten Sinne des Wortes knusprig gebraten‹.«
Sie mussten beide lachen, mühsam, aber spontan, und wie sie so Seite an Seite lagen, gingen sie die Kette von Ereignissen durch, die mit diesem steifen und wirren Erwachen geendet hatte.
Sie hatten sich, seit es Ende Oktober auf dem Land zu [291] kühl geworden war, fast vier Monate in New York aufgehalten. Auf Kalifornien hatten sie dieses Jahr verzichtet, teils aus Geldmangel, teils in der Absicht, ins Ausland zu fahren, falls der langwierige Krieg, der jetzt schon ins zweite Jahr ging, im Winter doch noch enden sollte. Seit einiger Zeit hatte ihr Einkommen an Elastizität verloren; es ließ sich nicht mehr strecken, um fröhliche Marotten und vergnügliche Ausschweifungen zu finanzieren, und Anthony hatte viele konfuse und unbefriedigende Stunden über einem mit dichten Zahlenkolonnen bedeckten Schreibblock gesessen und bemerkenswerte Haushaltspläne aufgestellt, in denen er riesige Überschüsse für »Amüsements, Ausflüge usw.« vorsah und ihre bisherigen Ausgaben wenigstens annähernd zuzuordnen versuchte.
Er erinnerte sich an die Zeit, da er mit seinen beiden besten Freunden ausgiebig gefeiert und er und Maury unweigerlich mehr als ihren eigenen Kostenanteil übernommen hatten. Sie waren es, die die Theaterkarten kauften oder darum zankten, wer die Restaurantrechnung beglich. Es schien angemessen; Dick mit seiner Naivität und seinem erstaunlichen Fundus an Auslassungen über sich selbst hatte eine unterhaltsame, fast jugendliche Figur abgegeben – Hofnarr Ihrer Königlichen Hoheiten. Aber das traf nicht länger zu. Inzwischen war Dick derjenige, der immer Geld hatte; es war Anthony, der seine Vergnügungen in Grenzen halten musste – ausgenommen hin und wieder eine wilde, weinselige, mit Schecks zu bezahlende Nacht –, und es war Anthony, der anderntags ein ernstes Gesicht aufsetzte und der spöttisch angewiderten Gloria sagte, dass sie »nächstes Mal vorsichtiger« würden sein müssen.
[292] In den zwei Jahren seit Erscheinen des Dämonischen Liebhabers hatte Dick mehr als fünfundzwanzigtausend Dollar verdient, den Großteil davon erst seit neuestem, als das Honorar des Romanautors infolge der unersättlichen Gier der Filmindustrie nach Plots anzuschwellen begann. Für jede Geschichte erhielt er siebenhundert Dollar, eine hohe Vergütung für einen so jungen Mann – er war noch nicht ganz dreißig –, und für jede, die genügend »Action« für eine Verfilmung aufwies (Küsse, Schüsse, Opfertaten), empfing er weitere tausend. Seine Geschichten waren unterschiedlich; in allen fand sich ein gewisses Maß an Kraft und eine Art instinktiver Kunstfertigkeit, doch keine besaß die Ausstrahlung des Dämonischen Liebhabers, und einige fand Anthony ausgesprochen kitschig. Mit diesen, erklärte Dick ernsthaft, wolle er die Zahl seiner Leser vergrößern. Hatten Männer, die wirklich dauerhafte Wirkung erzielt hatten, von Shakespeare bis Mark Twain, sich nicht ebenso an die vielen wie an die Auserwählten gewandt?
Trotz Widerspruchs von Anthony und Maury sagte Gloria ihm, er solle nur ruhig so viel Geld verdienen, wie er könne – das sei ohnehin das Einzige, was zähle…
Maury, ein wenig korpulenter, etwas jovialer und zuvorkommender, war nach Philadelphia gezogen, um dort zu arbeiten. Ein-, zweimal im Monat kam er
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