Die Schönen und Verdammten
Ballettstunde ging, haben die Mütter der anderen kleinen Mädchen, die nicht so beliebt waren wie ich, immer an mir herumgekrittelt; seitdem halte ich Kritik für eine Art neiderfüllter Huldigung.«
Das sagte sie wegen einer Nacht im Boul’ Mich’, als Constance Merriam sie in einer höchst angeregten Viererrunde gesehen hatte. Als »alte Schulfreundin« hatte Constance Merriam es auf sich genommen, sie am nächsten Tag zum Mittagessen einzuladen, um ihr mitzuteilen, wie schrecklich sie sich aufgeführt habe.
»Ich habe ihr gesagt, dass ich sie nicht verstehe«, sagte Gloria zu Anthony. »Eric Merriam ist eine Art veredelter Percy Wolcott – du erinnerst dich an den Mann in Hot Springs, von dem ich dir erzählt habe –, seine Vorstellung von Respekt vor Constance besteht darin, sie, wann immer er auf eine Party geht, die nicht todlangweilig zu werden verspricht, mit Nähzeug, Baby, Buch und derlei harmlosen Beschäftigungen zu Hause zu lassen.«
»Das hast du ihr gesagt?«
[299] »Allerdings. Und ich habe ihr gesagt, ihre Einwände richteten sich in Wirklichkeit dagegen, dass ich mich glänzender amüsiere als sie.«
Anthony lobte sie. Er war ungemein stolz auf Gloria, stolz, dass sie auf einer Party jede andere Frau unweigerlich in den Schatten stellte, stolz, dass sich die Männer in großen, lärmenden Gruppen mit Vorliebe stets mit ihr vergnügten, ohne Anstalten, etwas anderes zu tun, als ihre Schönheit und die Wärme ihrer Lebenskraft zu genießen.
Allmählich wurden diese Partys zur hauptsächlichen Quelle ihrer Unterhaltung. Obwohl noch immer verliebt, noch immer ungeheuer aneinander interessiert, stellten sie beim Nahen des Frühlings doch fest, dass es sie anödete, abends zu Hause zu bleiben. Bücher hatten etwas Unwirkliches; der alte Zauber des Alleinseins war längst verflogen– statt dessen zogen sie es vor, sich von einem dümmlichen Musical langweilen zu lassen oder mit den fadesten ihrer Bekannten essen zu gehen, solange es genügend Cocktails gab, die ein Absacken des Gesprächs ins vollends Unerträgliche verhinderten. Vereinzelte jüngere Ehepaare, mit denen sie auf der Schule oder dem College befreundet gewesen waren, wie auch eine bunte Mischung von Junggesellen dachten instinktiv an sie, wann immer Farbe und Aufregung gefragt waren, so dass kaum ein Tag ohne Anrufe verging, ohne ein »Habt ihr heute Abend schon was vor?«. Ehefrauen hatten in der Regel Angst vor Gloria. Ihr Geschick, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, ihre unschuldige und dennoch beunruhigende Art, die Gunst der Ehemänner zu erlangen – all das nötigte sie instinktiv zu einer Haltung tiefen Misstrauens, die dadurch, dass Gloria für den vertrauten [300] Umgang mit einer Frau weitgehend unempfänglich war, nur noch verstärkt wurde.
An dem verabredeten Mittwoch im Februar war Anthony zu der imposanten Kanzlei von Wilson, Hiemer & Hardy gegangen und hatte viele vage Anweisungen über sich ergehen lassen, die ihm ein energischer junger Mann etwa in seinem Alter namens Kahler erteilte. Dieser trug eine kecke gelbe Pompadourfrisur. Da er sich als Abteilungsleiter vorstellte, wirkte sie wie ein Tribut an seine außergewöhnlichen Fähigkeiten.
»Sie werden feststellen, dass es hier zwei Arten von Männern gibt«, sagte er. »Da ist einmal der Mann, der, noch bevor er dreißig wird, zum Abteilungsleiter oder zum Bevollmächtigten aufsteigt und dessen Name hier auf unserem Aktendeckel geschrieben steht, und da ist zum anderen der Mann, dem das Gleiche erst mit fünfundvierzig widerfährt. Der Mann, der seinen Namen erst mit fünfundvierzig hier anbringt, bleibt für den Rest seines Lebens hier.«
»Was ist mit dem Mann, der das schon mit dreißig schafft?«, erkundigte Anthony sich höflich.
»Nun, der bringt es so weit, sehen Sie.« Er zeigte auf eine Liste mit stellvertretenden Vizepräsidenten auf dem Aktendeckel. »Oder vielleicht wird er Präsident, Sekretär oder Generalbevollmächtigter.«
»Und was ist mit denen hier?«
»Mit denen? Ach, das sind die Vorstandsmitglieder – die Männer mit Kapital.«
»Verstehe.«
»Manche Leute glauben«, fuhr Kahler fort, »ein früher oder später Start hänge davon ab, ob der Betreffende [301] einen Hochschulabschluss hat oder nicht. Aber da irren sie sich.«
»Verstehe.«
»Ich habe einen Hochschulabschluss; ich war in Buckleigh, Jahrgang 1911, aber als ich zur Wall Street kam, habe ich bald festgestellt, dass der abgehobene Stoff, den ich am College
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