Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
heftiger tobte.
Na, das ist ein Wetter! Ob wir da überhaupt hinkommen?, dachte Wassili Andrejitsch. Aber ich kann keine Zeit verlieren, sonst komme ich zu spät. Und nun haben wir uns auch schon reisefertig gemacht, und der Bauer hat das Pferd anspannen lassen. Irgendwie werden wir’s mit Gottes Hilfe schon schaffen!
Auch der alte Hausherr glaubte, es wäre richtiger, die Fahrt zu verschieben; doch er hatte es bereits geraten, und man hatte nicht auf ihn gehört. Weiteres Zureden würde auch nichts nützen. Vielleicht, dachte er, bin ich durch mein Alter zu ängstlich geworden, und sie kommen doch gut hin. Nun, wir können jetzt wenigstens zur gewohnten Zeit schlafen gehen und brauchen uns keine Umstände zu machen …
Petruscha kam überhaupt nicht der Gedanke, dass die Fahrt gefährlich sein könnte; dazu kannte er den Weg und die ganze Gegend zu gut, überdies war er durch das Verschen von dem »tobenden und brausenden Wind«, das genau mit dem übereinstimmte, was sich jetzt draußen abspielte, in eine verwegene Stimmung versetzt. Nikita hatte zwar gar keine Lust zu fahren, war aber seit langem daran gewöhnt, nicht seinen eigenen Willen durchzusetzen, sondern sich andern zu fügen, so dass niemand der Abfahrt widersprach.
5
Nachdem Wassili Andrejitsch in der Dunkelheit mühsam bis zum Schlitten getappt war, stieg er ein und griff nach den Zügeln.
»Fahr du voran!«, rief er Petruscha zu.
Petruscha kniete in seinem sitzlosen Bauernschlitten und trieb das Pferd an. Muchorty, der schon die ganze Zeit gewiehert hatte, weil er vor sich die Stute witterte, lief schnell hinter ihr her, und sie fuhren auf die Straße hinaus. Sie fuhren wieder auf demselben Weg durch das Dorf, kamen wieder an dem Hof mit der auf einer Leine hängenden, steif gefrorenen, aber in der Dunkelheit nicht mehr sichtbaren Wäsche vorbei, passierten wieder dieselbe Scheune, die jetzt nahezu bis ans Dach eingeschneit war, von dem unaufhörlich Schnee herabwehte, erreichten wieder die im Wind wehmütig rauschenden und sich biegenden Weiden und fuhren an ihnen vorüber abermals in das von oben und unten wütende Schneemeer hinein. Es stürmte mit solcher Gewalt, dass der Schlitten umzukippen drohte, wenn der Wind von der Seite kam und man sich ihm entgegenstemmte, und das Pferd zur Seite abgedrängt wurde. Petruscha fuhr mit seiner rassigen Stute in forschem Trab und feuerte sie ständig durch Zurufe an. Muchorty trabte hinter ihr her.
Nachdem sie etwa zehn Minuten gefahren waren, wandte sich Petruscha um und rief ihnen etwas zu. Weder Wassili Andrejitsch noch Nikita konnten bei dem Sturm verstehen, was Petruscha rief, errieten jedoch, dass sie am Scheideweg angelangt waren. Petruscha bog dann auch wirklich nach rechts ab, worauf sie den so lange von rechts gekommenen Wind von vorn hatten und rechter Hand durch das Schneegestöber eine dunkle Masse schimmerte. Es war der am Scheideweg stehende Strauch.
»Nun, dann fahrt mit Gott!«
»Vielen Dank, Petruscha!«
»Finstrer Himmel, Schneegestöber …«, rief ihnen Petruscha noch zu und verschwand in der Dunkelheit.
»Hör mal an, was für ein Dichter er ist!«, sagte Wassili Andrejitsch und zog die Zügel an.
»Ja, ein forscher Bursche, ein richtiger Bauer!«, bemerkte Nikita.
Sie fuhren weiter.
Nikita, der die Schultern hochgezogen und sich so eingemummt hatte, dass ihm sein schütterer Bart um den Hals lag, saß schweigend im Schlitten und war bemüht, die durch den Tee aufgespeicherte Wärme nicht einzubüßen. Vor sich sah er die geraden Linien der Deichselstangen, die ihm immer wieder einen eingefahrenen Weg vortäuschten, das sich hebende und senkende Hinterteil des Pferdes mit dem aufgebundenen, nach der Seite gebogenen Schweif und weiter vorn den unter dem hohen Krummholz auf und ab wippenden Kopf Muchortys und seine im Wind flatternde Mähne. Hin und wieder entdeckte er Absteckpflöcke, woraus er ersah, dass sie sich bislang noch auf dem Weg befanden und es für ihn nichts zu tun gab.
Wassili Andrejitsch kutschierte, überließ es aber hauptsächlich dem Pferd, auf dem Weg zu bleiben. Obwohl Muchorty im Dorf verschnauft hatte, lief er unwillig und schien vom Weg abbiegen zu wollen, so dass ihn Wassili Andrejitsch mehrmals zurückhalten musste.
Rechts steht einer, da kommt der nächste, da der dritte, zählte Wassili Andrejitsch im Stillen die Absteckpflöcke, und dort vorn sieht man auch den Wald, fügte er in Gedanken hinzu, als sich in einiger Entfernung etwas
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