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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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– mit verdoppelter Stärke übers Feld und wirbelte ringsum den Schnee auf. Ein solcher Windstoß fegte gerade heran, als Wassili Andrejitsch, nachdem er sich verschnauft hatte, aus dem Schlitten gestiegen war und zu Nikita ging, um mit ihm zu besprechen, was sie nun tun sollten. Beide bückten sich unwillkürlich und warteten ab, bis der Windstoß abgeflaut war. Auch Muchorty legte die Ohren an und schüttelte unzufrieden den Kopf. Sobald der Wind wieder etwas nachgelassen hatte, zog Nikita seine Fausthandschuhe aus und steckte sie unter den Gürtel, hauchte in die hohlen Hände und schickte sich an, die Zügel vom Krummholz zu lösen.
    »Was tust du da? », fragte Wassili Andrejitsch.
    »Ausspannen tu ich, was können wir sonst machen? Meine Kraft ist zu Ende«, erklärte, sich gleichsam entschuldigend, Nikita.
    »Können wir denn nicht irgendeine Ortschaft erreichen?«
    »Wir kommen von hier nicht heraus, wir würden nur den Hengst zu Tode quälen. Er ist sowieso schon überanstrengt, der Gute«, sagte Nikita und zeigte auf das ergeben dastehende und zu allem bereite Pferd, dessen breite nasse Flanken sich unter seinen schweren Atemzügen heftig bewegten. »Wir müssen hier übernachten«, fügte Nikita mit solcher Selbstverständlichkeit hinzu, als wären sie zur Nacht in einen Gasthof eingekehrt. Und er schnallte den Kumtriemen auf.
    Die Kumtbügel sprangen auseinander.
    »Werden wir auch nicht erfrieren?«, fragte Wassili Andrejitsch.
    »Was lässt sich schon machen? Erfrieren wir, müssen wir es auch hinnehmen«, antwortete Nikita.
    6
     
    Wassili Andrejitsch hatte es in seinen zwei Pelzen, besonders nachdem er sich im Schnee der Schlucht abgemüht, behaglich warm, aber dennoch lief es ihm kalt über den Rücken, als ihm klar wurde, dass sie die Nacht hier zubringen mussten. Um sich zu beruhigen, setzte er sich in den Schlitten und holte eine Schachtel Zigaretten und Streichhölzer hervor.
    Nikita spannte unterdessen das Pferd aus. Er schnallte Bauchriemen und Sattelriemen auf, legte die Zügel zusammen, nahm Kumt und Krummholz ab und redete ununterbrochen ermunternd auf das Pferd ein.
    »Na, komm schon, komm schon«, sagte er, als er es zwischen den Deichselstangen herauszog. »Und nun binden wir dich hier an. Dann leg ich dir schön Stroh unter und nehm dir auch das Zaumzeug ab.« Er erklärte dem Pferd alles, was er tat. »Und wenn du erst gefressen hast, wirst du auch wieder munterer werden.«
    Doch Muchorty ließ sich durch Nikitas Zuspruch nicht beschwichtigen und war sichtlich aufgeregt; er trat von einem Bein aufs andere, presste sich, das Hinterteil dem Wind zukehrend, an den Schlitten und rieb den Kopf an Nikitas Arm.
    Offenbar nur, um sich Nikita gegenüber nicht undankbar zu zeigen, der ihm im Schlitten Stroh vors Maul gelegt hatte, nahm Muchorty mit einer jähen Bewegung ein Büschel Stroh; doch schon im selben Augenblick fiel ihm wohl ein, dass es jetzt nicht die rechte Zeit zum Fressen sei, und er ließ das Stroh wieder fallen, das dann im Nu vom Wind erfasst, fortgetragen, verstreut und mit Schnee überschüttet wurde.
    »Jetzt errichten wir noch ein Erkennungszeichen«, sagte Nikita, worauf er den Schlitten mit der Vorderseite dem Wind zu drehte, mit dem Sattelriemen die Deichselstangen zusammenschnürte, sie aufrichtete und an der Vorderseite des Schlittens befestigte. »Wenn wir jetzt eingeschneit werden und gute Menschen das an den Stangen merken, werden sie uns ausgraben«, sagte er. »So haben es uns die Alten gelehrt.« Dann klopfte er den Schnee von seinen Fausthandschuhen und zog sie wieder an.
    Wassili Andrejitsch, der den Pelz zurückgeschlagen hatte, versuchte inzwischen, ein Streichhölzchen nach dem andern im Schutz des vorgehaltenen Pelzsaums an seiner Stahlschachtel zu entzünden; doch seine Hände zitterten, und noch bevor die aufflammenden Streichhölzchen richtig Feuer fingen oder von Wassili Andrejitsch an die Zigarette geführt werden konnten, erloschen sie im Wind. Schließlich glückte es ihm, ein Streichhölzchen zu entzünden, die Flamme beleuchtete für einen Augenblick die Innenseite des Pelzes, seine Hand mit dem goldenen Ring an dem gekrümmten Zeigefinger, das unter dem Sackleinen vorquellende, mit einer Schneeschicht bedeckte Haferstroh – und die Zigarette brannte an. Aber als er gierig ein paar Züge gemacht, den Rauch verschluckt und durch den Schnurrbart ausgestoßen hatte und die Zigarette nochmals an den Mund führen wollte, wurde ihr brennendes Ende vom

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