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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Schwarzes abzeichnete. Doch das, was er für einen Wald gehalten hatte, war nur ein Strauch. Sie fuhren an dem Strauch vorüber, fuhren nochmals zwanzig Sashen – ein vierter Absteckpflock erschien nicht, und auch von einem Wald war nichts zu sehen. Jetzt muss er aber gleich kommen, dachte Wassili Andrejitsch, und angeregt durch den Schnaps und den Tee, zog er die Zügel an und trieb das Pferd weiter in dieselbe Richtung. Das brave, gefügige Tier gehorchte und lief, bald im Zeltergang, bald in leichten Trab übergehend, wohin es gelenkt wurde, obwohl es wusste, dass dies nicht die richtige Richtung war. Es verstrichen zehn Minuten, aber der Wald kam immer noch nicht.
    »Wir sind ja wieder verkehrt gefahren!«, sagte Wassili Andrejitsch und hielt das Pferd an.
    Nikita stieg wortlos aus dem Schlitten, raffte seinen Mantel zusammen, der ihm vom Wind bald um den Körper geklatscht, bald auseinandergerissen wurde, und stapfte in das Schneefeld hinein. Er ging zuerst in die eine, dann in die andere Richtung und geriet mehrmals ganz aus der Sicht. Schließlich kehrte er zurück und nahm Wassili Andrejitsch die Zügel aus der Hand.
    »Wir müssen nach rechts fahren!«, sagte er in bestimmtem, keinen Widerspruch duldendem Ton und wendete das Pferd.
    »Nun, wenn es rechts richtig ist, dann los nach rechts!«, sagte Wassili Andrejitsch und steckte, nachdem er die Zügel abgegeben hatte, seine durchfrorenen Hände in die Ärmel.
    Nikita antwortete nichts.
    »Nun, Freundchen, streng dich mal an!«, rief er Muchorty zu. Aber obgleich er das Pferd mit den Zügeln antrieb, ging es nur im Schritt. Der Schnee reichte dem Pferd stellenweise bis an die Knie, und bei jeder Bewegung wurde der Schlitten durch einen heftigen Ruck erschüttert.
    Nikita nahm die am Bock hängende Peitsche und schlug auf das Pferd ein. Das brave, nicht an die Peitsche gewöhnte Pferd bäumte sich auf und setzte zum Galopp an, verfiel indessen gleich wieder in Zeltergang und Schritt. So fuhren sie etwa fünf Minuten. Es war so dunkel, und das Schneegestöber war so dicht, dass man zeitweilig nicht einmal das Krummholz sehen konnte. Mitunter hatte man den Eindruck, als stünde der Schlitten still und als flutete das Feld zurück. Plötzlich blieb das Pferd mit einem jähen Ruck stehen, offensichtlich schien es vor sich Unheil zu wittern. Nikita schwang sich wieder mit einem leichten Satz aus dem Schlitten, warf die Zügel hin und ging nach vorn, um zu ermitteln, wovor das Pferd scheute; doch kaum hatte er sich einen Schritt von dem Pferd entfernt, da glitt er aus und rollte einen Abhang hinunter.
    »Prr, prr…«, sprach er zu sich selbst, als er stürzte und irgendwie einen Halt zu finden suchte; doch das glückte ihm nicht, und er rollte immer weiter, bis er schließlich auf der Sohle der Schlucht mit den Füßen gegen eine dort angehäufte dicke Schneeschicht stieß und darin steckenblieb.
    Eine dicht am Rand der Schlucht zusammengewehte Schneewehe, die durch Nikitas Sturz ins Rutschen gekommen war, fiel herab und überschüttete ihn von oben bis unten mit Schnee.
    »Was soll denn das!«, rief Nikita, sich an die Schneewehe und an die Schlucht wendend, vorwurfsvoll, während er sich den Schnee aus dem Nacken klopfte.
    »Nikita! Hallo, Nikita!«, rief von oben Wassili Andrejitsch.
    Aber Nikita antwortete nicht – er hatte keine Zeit.
    Nachdem er den Schnee von sich abgeklopft hatte, suchte er die Peitsche, die ihm beim Absturz aus der Hand gefallen war, und als er sie endlich gefunden hatte, versuchte er, an derselben Stelle, wo er herabgerollt war, hinaufzuklettern; doch er rutschte immer wieder zurück und musste erst lange nach einer bequemeren Aufstiegsmöglichkeit suchen. Nachdem er dann etwa drei Sashen weiter auf allen vieren mühsam hinaufgeklettert war, ging er am Rand der Schlucht entlang, in die Richtung, wo das Pferd stehen musste. Noch sah er nichts vom Pferd und vom Schlitten; da er aber gegen den Wind ging, hörte er schon, wie Muchorty wieherte und Wassili Andrejitsch nach ihm rief.
    »Ich komme, komme ja schon, was grölst du so!«, murmelte er vor sich hin.
    Erst als er unmittelbar beim Schlitten angelangt war, nahm er das Pferd und den danebenstehenden, jetzt ungewöhnlich groß wirkenden Wassili Andrejitsch wahr.
    »Wohin, zum Teufel, bist du denn verschwunden gewesen?«, wurde Nikita erregt von seinem Herrn angeschrien. »Wir müssen zurückfahren – wenn nicht anders, dann nach Grischkino!«
    »Das würd ich schon gern machen, Wassili

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