Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
älteste Sohn, als er den dicken Reif sah, mit dem Nikitas Gesicht, der Bart und die Brauen überzogen waren.
Nachdem Nikita den Mantel ausgezogen und noch den restlichen Schnee abgeschüttelt hatte, hängte er ihn an den Ofen und trat an den Tisch. Man bot auch ihm Schnaps an. Nikita kämpfte eine Minute lang schwer mit sich: Er war schon nahe daran, nach dem Glas zu greifen und die duftende helle Flüssigkeit in die Kehle zu gießen, aber dann warf er einen Blick auf Wassili Andrejitsch, besann sich auf sein Gelübde, auf die im Trunk verjubelten Stiefel, dachte an den Böttcher und an seinen Sohn, dem er versprochen hatte, zum Frühjahr ein Pferd zu kaufen – und lehnte mit einem Seufzer ab.
»Ich trinke nicht, danke ergebenst«, sagte er mit finsterem Gesicht und setzte sich auf die unter dem zweiten Fenster stehende Bank.
»Nanu, warum denn nicht?«, fragte der älteste Sohn.
»Ich trinke nicht, das ist mal so«, erwiderte Nikita, ohne aufzublicken, und behauchte sein schütteres Bärtchen, um die Eiszapfen daran aufzutauen.
»Das ist nichts für ihn«, bemerkte Wassili Andrejitsch, der gerade ein Gläschen geleert hatte und hinterher eine Brezel aß.
»Nun, dann trinkst du eben ein Glas Tee«, sagte die Alte freundlich. »Bist doch, denke ich, ganz durchgefroren … Was trödelt ihr Frauensleute so lange mit dem Samowar?«
»Er ist fertig«, antwortete eine der Schwiegertöchter, worauf sie mit der Schürze den übergelaufenen Samowar abwischte, ihn keuchend heranschleppte, in die Höhe hob und geräuschvoll auf den Tisch stellte.
Wassili Andrejitsch erzählte inzwischen, wie sie sich verirrt hatten, im Kreis herumgefahren und zum zweiten Mal hierhergekommen waren, und von ihrer Begegnung mit den betrunkenen Bauern. Die Gastgeber wunderten sich, erklärten, wo und warum sie einen falschen Weg eingeschlagen hätten, um wen es sich bei den betrunkenen Bauern, mit denen sie unterwegs zusammengetroffen waren, gehandelt habe, und setzten ihnen dann auseinander, wie sie fahren müssten.
»Von hier nach Moltschanowka findet ein kleines Kind, man muss nur aufpassen und an der richtigen Stelle von der Landstraße abbiegen – dort steht ein Strauch. Ihr seid zu früh abgebogen«, sagte der Nachbar.
»Ihr solltet doch lieber zur Nacht hierbleiben. Die Frauensleute werden euch ein Lager richten«, versuchte die alte Hausfrau Wassili Andrejitsch zu überreden.
»Wenn ihr morgen früh weiterfahrt, das ist sicherer«, bekräftigte auch der Hausherr.
»Es geht nicht, guter Freund, die Geschäfte drängen«, erklärte Wassili Andrejitsch. »Was man in einer Stunde versäumt, holt man in einem ganzen Jahr nicht nach«, fügte er hinzu und dachte dabei an den Wald und an die Händler, die ihm bei diesem vorteilhaften Kauf zuvorkommen könnten. »Wir werden doch hinfinden?«, wandte er sich an Nikita.
Nikita antwortete nicht gleich, er schien ganz mit dem Auftauen seines Bartes beschäftigt zu sein.
»Dass wir uns nur nicht wieder verirren«, sagte er erst nach einer Weile in griesgrämigem Ton.
Nikita war missgestimmt, weil es ihn unwiderstehlich nach Schnaps verlangte und ihm Tee – das einzige Mittel, das dieses Verlangen unterdrücken konnte – noch nicht angeboten worden war.
»Hauptsache, wir kommen bis zum Scheideweg, dann können wir uns nicht mehr verirren, der ganze weitere Weg führt durch den Wald«, meinte Wassili Andrejitsch.
»Ihr könnt bestimmen, Wassili Andrejitsch; wenn wir fahren sollen, fahren wir«, sagte Nikita und nahm ein Glas Tee entgegen.
»Wir trinken jetzt noch Tee, und dann los!«
Nikita erwiderte nichts, sondern nickte nur und wärmte, nachdem er den Tee behutsam in die Untertasse gegossen hatte, über dem Dampf seine Hände mit den von der Arbeit ständig geschwollenen Fingern. Dann biss er ein winziges Stück Zucker ab und verneigte sich zu den Gastgebern hin.
»Auf eure Gesundheit!«, sagte er und schlürfte die erwärmende Flüssigkeit.
»Schön wäre es ja, wenn uns jemand bis zum Scheideweg begleiten könnte«, meinte Wassili Andrejitsch.
»Nun, das geht zu machen«, erklärte der älteste Sohn. »Petruscha wird anspannen und euch hinbegleiten.«
»Na, dann spann an, guter Freund! Ich werd mich auch dankbar zeigen.«
»Da ist doch nichts zu danken, mein Guter«, sagte die freundliche Alte. »Wir tun’s von Herzen gern.«
»Petruscha, geh, spann die Stute an!«, sagte der älteste Sohn.
»Mach ich!«, antwortete Petruscha lächelnd, nahm seine Mütze vom Nagel und
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