Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
Dass er seinen Willen durchgesetzt hatte, erfüllte ihn mit großer Genugtuung. Und wenn die Zigarette auch mehr im Wind verglühte, als dass er selbst sie geraucht hätte, so hatte er immerhin ein paar Züge machen können und war dadurch in besserer Stimmung. Er streckte sich nun wieder aus, hüllte sich ein und gab sich aufs Neue seinen Betrachtungen und Träumereien hin, bis sich schließlich seine Gedanken verwirrten und er unversehens einschlief.
Da verspürte er plötzlich einen Stoß und wachte auf. Ob nun Muchorty Stroh unter ihm hervorgezogen oder ob sich in seinem Innern etwas zusammengekrampft hatte, wie dem auch sei, er wachte auf, und sein Herz klopfte so heftig, dass es ihm vorkam, als bebe der Schlitten unter ihm. Er öffnete die Augen. Ringsum bot sich immer noch dasselbe Bild, nur schien es etwas heller geworden zu sein. Es dämmert schon, dachte er, da muss es bald Morgen werden! Doch dann erkannte er sofort, dass die größere Helligkeit nur von dem inzwischen aufgegangenen Mond herrührte. Er richtete sich auf und warf zuallererst einen Blick auf das Pferd. Muchorty stand nach wie vor mit dem Rücken gegen den Wind und zitterte am ganzen Leib. Das mit Schnee bedeckte Sackleinen hing nur noch auf einer Seite, das Hintergeschirr war seitlich abgerutscht, und den Kopf mit der im Wind flatternden Mähne konnte man jetzt deutlicher sehen. Wassili Andrejitsch beugte sich über den hinteren Schlittenrand und schaute nach Nikita aus. Er saß immer noch so da, wie er sich gleich zu Anfang hingesetzt hatte. Die Matte, mit der er sich zugedeckt hatte, und seine Füße waren mit einer dicken Schneeschicht überzogen. Dass mir dieser Bauer in seinem schäbigen Zeug da bloß nicht erfriert! Dann muss ich mich seinetwegen womöglich verantworten. Was für ein unvernünftiges Volk! Eine wahre Unkultur!, dachte Wassili Andrejitsch. Er wollte eigentlich das Sackleinen vom Pferd herunternehmen und Nikita damit zudecken, ließ es dann aber sein: Es graute ihm, bei dieser Kälte auszusteigen und sich draußen zu schaffen zu machen, und außerdem musste man befürchten, dass das Pferd dann erfror… Warum habe ich ihn nur mitgenommen? Das hat man alles von ihrer Dummheit!, sagte sich Wassili Andrejitsch in Gedanken an seine ungeliebte Frau und legte sich wieder auf seinen alten Platz im Vorderteil des Schlittens… So hat auch mein Onkel mal eine ganze Nacht im Schnee zugebracht und ist dabei nicht umgekommen, erinnerte sich Wassili Andrejitsch. Sewastjan freilich – gedachte er eines andern Falles –, der war schon tot und so steif wie ein gefrorenes Stück Schlachtvieh, als man ihn aus dem Schnee ausgrub. Ja, wären wir zur Nacht in Grischkino geblieben, hätte man das alles nicht auszustehen brauchen …
Und nachdem er sich wieder so sorgfältig eingehüllt hatte, dass die im Pelz angesammelte Wärme nirgends entweichen konnte und ihn überall – am Hals, an den Knien und Füßen – erwärmte, schloss er die Augen und versuchte aufs Neue einzuschlafen. Doch sosehr er sich auch bemühte, er fand keinen Schlaf, sondern fühlte sich im Gegenteil munter und angeregt. Er begann wieder seine Gewinne zu berechnen und wie viel andere ihm schuldeten, brüstete sich wieder vor sich selber und freute sich über seine Leistungen und seinen Wohlstand; doch nun schlichen sich in diese Betrachtungen immer mehr ein Gefühl von Angst und Ärger darüber ein, dass er zur Nacht nicht in Grischkino geblieben war, wo er jetzt in der Wärme auf der Schlafbank gelegen hätte. Er drehte sich mehrmals von einer Seite auf die andere, um eine bequemere und besser gegen den Wind geschützte Lage zu finden – aber irgendetwas störte ihn immer noch. Wieder richtete er sich auf, wieder wechselte er die Lage, wickelte die Beine ein, schloss die Augen und rührte sich nicht. Doch nun schmerzten ihn die in den dicken Filzstiefeln gekrümmten Beine, oder es zog irgendwo, und nachdem er eine Weile still gelegen hatte, dachte er wieder daran, wie er in Grischkino jetzt schön in der warmen Stube gelegen hätte, und ärgerte sich über sich selbst. Und abermals richtete er sich auf, drehte sich um, wickelte sich ein und legte sich wieder hin.
Einmal glaubte Wassili Andrejitsch, irgendwo in der Ferne Hähne krähen zu hören. Er freute sich, schlug den Pelzkragen zurück und horchte; doch sosehr er sein Gehör auch anspannte, es war nichts anderes zu hören als das Pfeifen des durch die Deichselstangen fahrenden Windes, das Flattern des Tuches
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