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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Wind abgerissen und ebenso fortgetragen wie zuvor das Stroh.
    Doch auch diese wenigen Züge hatten Wassili Andrejitsch in eine bessere Stimmung versetzt.
    »Wennschon, dennschon, dann übernachten wir eben hier!«, sagte er entschlossen. »Aber warte mal«, fügte er, zu Nikita gewandt, hinzu, »ich will noch eine Flagge anbringen.« Er hob das Tuch auf, das er vom Kragen abgewickelt und in den Schlitten geworfen hatte, zog die Handschuhe aus, richtete sich im Vorderteil des Schlittens auf, reckte sich in die Höhe, um die Enden der Deichselstangen zu erreichen, und band dort mit einem festen Knoten das Tuch an.
    Das Tuch begann sofort ungestüm zu flattern, wobei es sich bald um die Stange legte, bald wieder entfaltete, sich blähte und im Wind knatterte.
    »Sieh mal hin, wie schön es flattert!«, sagte Wassili Andrejitsch, zufrieden mit seinem Werk, und ließ sich wieder im Schlitten nieder. »Würden wir uns nebeneinanderlegen, hätten wir es wärmer, aber für zwei ist es hier zu eng«, sagte er.
    »Ich werd schon für mich ein Plätzchen finden«, antwortete Nikita, »ich muss nur erst den Hengst zudecken, der Gute trieft vor Schweiß … Lass mich mal ran«, fügte er, an den Schlitten herantretend, hinzu und zog unter Wassili Andrejitschs Sitz das Sackleinen hervor.
    Dann nahm er Muchorty das Hintergeschirr und das Sattelzeug ab, faltete das Sackleinen doppelt zusammen und bedeckte damit das Pferd.
    »So, jetzt hast du’s wärmer, du Dummerchen«, sagte er und legte dem Pferd über dem Sackleinen wieder das Sattelzeug und Hintergeschirr an. »Wenn Ihr die Matte nicht braucht, gebt sie mir und auch etwas Stroh«, sagte Nikita zu Wassili Andrejitsch, als er alles erledigt hatte und zum Schlitten zurückkam.
    Nachdem er das eine wie das andere unter Wassili Andrejitschs Sitz hervorgezogen hatte, scharrte er hinterm Schlitten im Schnee eine kleine Grube und legte das Stroh hinein; hierauf stülpte er die Mütze tief über den Kopf, wickelte sich in seinen Mantel, setzte sich auf das ausgebreitete Stroh, bedeckte sich von oben mit der Matte und lehnte sich gegen die rohe Außenwand des Schlittens, die Wind und Schnee von ihm abhielt.
    Wassili Andrejitsch schüttelte zu Nikitas Handlungsweise missbilligend den Kopf – wie er überhaupt alle bäuerliche Unbildung und Dummheit missbilligte – und machte es sich dann selbst für die Nacht bequem.
    Er breitete das restliche Stroh im Schlitten aus, stopfte sich ein paar Handvoll in den Rücken, steckte die Hände in die Ärmel und bettete den Kopf vorn im Schlitten in eine Ecke, wo er gegen den Wind geschützt war.
    Schlafen mochte er nicht. Er lag da und gab sich seinen Gedanken hin; er dachte darüber nach, was das einzige Ziel, den ganzen Sinn, die ganze Freude und den ganzen Stolz seines Lebens ausmachte – darüber, zu welchem Wohlstand er es bereits gebracht hatte und wie er ihn in Zukunft noch vergrößern werde, welches Vermögen andere ihm bekannte Leute besaßen und auf welche Weise sie es erworben hatten und immer noch vermehrten und dass er gleich ihnen noch sehr viel Geld verdienen könne. Dem Kauf des Waldes in Gorjatschkino maß er allergrößte Bedeutung bei. Er hoffte, durch diesen Kauf mit einem Schlag an die zehntausend Rubel zu verdienen. In Gedanken begann er zu berechnen, wie viel er aus dem Wald herausschlagen würde, den er sich im Herbst angesehen und von dem er auf zwei Deßjatinen sämtliche Bäume gezählt hatte.
    Die Eichen geben gute Schlittenkufen ab, überlegte er. Balken selbstverständlich auch. An Brennholz wird jede Deßjatine ihre dreißig Sashen bringen. Da kann ich von jeder Deßjatine, knapp gerechnet, zweihundertfünfundzwanzig Rubel einnehmen, sagte er sich. Sechsundfünfzig Deßjatinen, das sind also sechsundfünfzig mal hundert und noch einmal sechsundfünfzig mal hundert, dann sechsundfünfzig mal zehn und noch einmal sechsundfünfzig mal zehn, dann sechsundfünfzig mal fünf… Er sah, dass über zwölftausend Rubel herauskamen, konnte die Summe jedoch ohne Rechenbrett nicht genau errechnen. Aber zehntausend werde ich trotz alledem nicht geben, höchstens achttausend, und auch das nur mit Abzug für das Brachland. Der Landmesser kriegt hundert oder vielleicht auch hundertfünfzig Rubel Schmiergeld – da errechnet der mir an die fünf Deßjatinen Brachland. Dann wird er schon auf achttausend heruntergehen. Erst mal lege ich ihm dreitausend bar auf den Tisch, das wird ihn weichmachen, dachte Wassili Andrejitsch und

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