Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
befühlte mit dem Oberarm die in der Tasche steckende Brieftasche… Weiß Gott, wie wir nach dem Scheideweg so weit abirren konnten! Hier hätte doch der Wald kommen und eine Wächterbude stehen müssen. Doch dann würde man Hunde hören … Aber wenn sie sollen, bellen die Biester nicht… Er schlug den Pelzkragen vom Ohr zurück und horchte: Zu hören war nach wie vor das Pfeifen des Windes, das Klappern der Deichselstangen, das Flattern des Tuches und das Klatschen des Schnees gegen die Außenwand des Schlittens. Er schlug den Kragen wieder hoch.
Hätte man das alles gewusst, wären wir doch zur Nacht im Dorf geblieben. Na einerlei, dann kommen wir eben morgen hin. Nur ein Tag ist verloren. Bei diesem Wetter werden sie auch aus der Stadt nicht losfahren … Da fiel ihm ein, dass er am Neunten dieses Monats vom Fleischer das Geld für die Ochsen zu bekommen hatte. Er wollte es selber bringen, da trifft er mich nicht an, und meine Frau wird sich nicht zurechtfinden mit dem Geld. Sie ist ja so ungebildet und hat keine Umgangsformen, setzte er seinen Gedankengang fort, als er sich erinnerte, wie ungeschickt sich seine Frau gestern benommen hatte, als der Landpolizeichef am Feiertag zu einem Besuch bei ihnen eingekehrt war… Na ja – ein Frauenzimmer! Was hat sie schon im Leben gesehen? Wie war es denn zu Lebzeiten der Eltern bei uns zu Hause? Ein reicher Bauernhaushalt wie viele andere. Die Graupenmühle und eine Herberge, das war der ganze Besitz. Und was hab ich in fünfzehn Jahren daraus gemacht? Ein Ladengeschäft, zwei Schenken, eine Mühle, einen Silo, zwei Güter in Pacht, und Haus sowie Speicher mit Eisenplatten gedeckt. Er rief sich voller Stolz alles ins Gedächtnis, was er besaß … Das ist was anderes als zur Zeit meines Alten! Wer spielt heute die erste Rolle im Kreis? Brechunow!
Und woher kommt das? Daher, dass ich immer ans Geschäft denke, mich abmühe und nicht so wie andere auf der Bärenhaut liege oder nichtsnutziges Zeug treibe. Ich schlage mir ganze Nächte um die Ohren. Muss ich fahren, hält mich auch ein Schneesturm nicht ab. Dafür geht auch das Geschäft. Die andern meinen, dass man das Geld im Schlaf verdient. Nein, man muss arbeiten, muss sich den Kopf zerbrechen und, wenn nötig, so wie ich jetzt hier die Nacht unter freiem Himmel und ohne Schlaf zubringen. Wie Federzeug wirbeln die Gedanken in meinem Kopf herum, sagte er sich stolz … Manche sagen, man muss Glück haben, um es zu was zu bringen. Mironow, zum Beispiel, der ist jetzt Millionär. Und wodurch? Man muss arbeiten, dann hilft auch Gott. Wenn Gott einen nur gesund erhält …
Und der Gedanke, auch er könnte so ein Millionär werden wie Mironow, der mit nichts angefangen hatte, regte ihn dermaßen auf, dass er das Bedürfnis empfand, mit jemandem zu sprechen. Aber es war niemand da, mit dem er hätte sprechen können. Ja, wären sie bis Gorjatschkino gekommen, dann hätte er mit dem Gutsbesitzer gesprochen und dem heimgeleuchtet!
Hu, wie das stürmt! Wir werden hier noch so einschneien, dass wir morgen nicht herauskommen, dachte Wassili Andrejitsch, während er dem Wind lauschte, der von vorn gegen den Schlitten anfuhr, ihn rüttelte und den Schnee gegen seine Außenseite peitschte. Er richtete sich etwas auf und blickte sich um: In der in der Finsternis wogenden weißen Masse waren nur die sich undeutlich abhebenden Umrisse von Muchortys Kopf, seinem Rücken mit dem flatternden Sackleinen und seinem aufgebundenen buschigen Schweif zu sehen; ringsum aber, vorn, hinten und zu beiden Seiten, wogte in der Finsternis ein und dieselbe weiße Masse, die sich bald ein wenig lichtete, bald noch mehr verdichtete.
Es war verkehrt gewesen, auf Nikita zu hören, dachte er. Wir hätten weiterfahren müssen, vielleicht hätten wir doch irgendeine Ortschaft erreicht. Und wenn wir auch nur bis nach Grischkino gekommen wären, dann hätten wir bei Taras übernachtet. Jetzt kann man hier die ganze Nacht durch sitzen. Ja, woran dachte ich doch gleich? Ach so – dass Gott jemandem, der arbeitet, auch hilft, aber nicht Faulpelzen, Nichtstuern oder Dummköpfen. Jetzt muss ich erst mal rauchen! – Er setzte sich hin, nahm das Zigarettenetui aus der Tasche, legte sich dann bäuchlings in den Schlitten und versuchte, im Schutz des Pelzes eine Zigarette zu entzünden; allein der Wind fand immer noch einen Zugang und löschte ein Streichholz nach dem andern. Endlich brachte er es doch fertig, eine Zigarette anzubrennen, und begann zu rauchen.
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