Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Dabei stolperte er über die alte Türschwelle und stürzte der Länge nach auf den Boden. Beim Aufprall schlug er mit dem Kopf so unglücklich gegen eine vorstehende Mauerkante, dass er auf der Stelle tot war.
Seit diesem Vorfall warnen die Bauern in Frauenkirchen einander mit den Worten:
„Belauscht die Tiere nicht in der Heiligen Nacht, sie sind verhext!“
Auch die Großmutter der Frau Weninger aus Wiesen hatte davon gehört, dass in der Christnacht alle Tiere reden und auch Zukünftiges voraussagen können. Sie wartete schon den ganzen Heiligen Abend darauf, endlich in den Stall gehen zu können, und kurz vor der Mitternachtsstunde war es dann so weit. Die Großmutter ging in den Stall und fragte das Pferd, was es morgen arbeiten werde.
„Morgen“, antwortete das Pferd, „morgen tragen wir den Herrn aus dem Haus.“
Und das Pferd hatte richtig geantwortet, denn am nächsten Tag starb der Bauer, obwohl er bis zu seiner Todesstunde ganz gesund gewesen war.
Eine andere Bäuerin ging einmal am Heiligen Abend zwischen elf und zwölf Uhr in den Stall, weil sie zuhören wollte, was sich die Sau und ihre sieben Jungen so alles erzählten. Erst stand sie nur an der Stalltür und presste das Ohr dagegen, aber sie konnte nichts hören, alles war absolut still.
Sie machte dann die Tür auf und schaute, ob denn die Sau nicht drinnen war. Da rannte die Sau heraus, auf sie zu und riss ihr beide Brüste heraus. Die Bäuerin fiel um und starb bald darauf.
Bei einem anderen Bauern hatte der Knecht sein Nachtlager im Stall. Dieser Knecht hieß Hansl und war recht brav und treu. In der Christnacht ging er dann um halb zwölf Uhr in den Stall, zog sich aus und legte sich nieder. Da hörte er den einen Ochsen zum anderen sagen:
„Wir haben die traurige Nachricht, dass unser Bauer morgen sterben wird. Er wird morgen Mittag sein Kraut essen, in dem ein Knochensplitter steckt. Knochen und Essen bleiben ihm im Hals stecken und er muss ersticken. Wir zwei müssen ihn dann zum Friedhof hinausführen.“
„Ei, das wird freilich eine schwere Last für uns sein“, sagte der zweite Ochse.
Als sie am nächsten Tag beim Essen saßen, schnitt sich der Bauer ein Stück Fleisch ab und holte sich Kraut aus der Schüssel. Als er die erste Gabel voll essen wollte, „stupfte“ ihn der Hansl an und warf ihm den Bissen zurück auf den Teller. Der Bauer schaute den Knecht groß an und fragte sich, was denn auf einmal in den gefahren war. Er griff wieder nach der vollen Gabel, da warf ihm der Hansl das Essen noch einmal auf den Teller hinunter; nun konnte der Bauer freilich nimmer still sein:
„Ja, Hansl, was machst du denn mit mir?“
Der Bursche redete nicht lange und warf ihm auch das dritte Mal das Kraut von der Gabel hinunter. Nun meinte der Bauer:
„Hansl, ich hab dich immer gern gehabt, aber jetzt ist deine Zeit um, du kannst gehen.“
Und nun fing der Hansl zu reden an und erzählte, was er von den Ochsen im Stall gehört hatte. Das Kraut auf dem Teller des Bauern wurde sogleich durchsucht und wirklich, ein spitzer Knochensplitter wurde gefunden. Ha, da war die Freude groß, und von nun an wurde der Hansl wie ein eigenes Kind betrachtet und sogar verheiratet.
In Frauenkirchen war es früher üblich, dass am Heiligen Abend nach dem Gebetläuten keine häuslichen Arbeiten mehr verrichtet wurden. Da geschah es einmal, dass eine Frau um Mitternacht zum Brunnen Wasser schöpfen ging. Als sie dann in ihrer Stube davon trank, bemerkte sie zu ihrer großen Überraschung, dass sich das Wasser in Wein verwandelt hatte. Eilends lief sie in die Küche und suchte sämtliche Kübel und Eimer, die sie besaß, zusammen und lief abermals zum Brunnen. Sie freute sich darüber, auf so billige und leichte Weise zu einem guten Wein zu kommen.
Am nächsten Tag erzählte sie den Nachbarn und jedem, der es hören wollte, von dem „Wunderwein“ der Christnacht aus dem Brunnen und ließ alle, die davon trinken wollten, eine Kostprobe nehmen.
Eine der Nachbarinnen wurde dermaßen neidisch, dass sie das ganze Jahr über Eimer und Flaschen sammelte, um in der nächsten Christnacht ebenfalls vom Brunnenwasser genug abschöpfen zu können. Endlich war es dann so weit, und sie hatte die fleißig geputzten Gefäße im Eingangsflur aufgereiht. Kurz vor Mitternacht machte sie sich dann an die Arbeit und begann eifrig, das Brunnenwasser abzufüllen. War das eine Schlepperei, die schweren Gefäße wieder ins Haus zu schaffen! Als dann die Arbeit getan
Weitere Kostenlose Bücher