Die Schöpfungsmaschine
einfachen Gedankenwunsch wiederholen, sooft er wollte, in immer neuen Varianten und ständig wechselnder Perspektive. Er konnte das Beanspruchungsmuster eines technischen Geräts unter Belastung fühlen. Er sah den Strom durch einen Schaltkreis fließen, als handle es sich um Flüssigkeit in gläsernen Rohren. Am Ende der vierten Woche fand er so sicher zu der Lösung einer Tensoranalyse, als folgte er mit dem Finger einem Irrgarten in einem Kinderbuch. Das anpassungsfähige Lernsystem des BIAK stimmte sich fortwährend besser auf Cliffords besondere Arbeitsweise ein. Lösungswege, die einmal erarbeitet waren, wurden zu Routineabläufen, an die es sich automatisch erinnerte. Im Laufe der Zeit fügte der BIAK diese Routineprozesse zu komplexen Ketten zusammen, die augenblicklich abgerufen werden konnten und nicht mehr eigens zusammengefügt zu werden brauchten. So übernahm die Maschine schrittweise einen ständig wachsenden Anteil an der Lösung von Einzelproblemen, und Clifford gewann die Freiheit, sich stärker dem kreativen Bereich der Entwicklung von Problemlösungsstrategien zuzuwenden. Die Maschine schuf sich während der Arbeit ihr eigenes Programm, das ständig erweitert und verfeinert wurde. Mit der Programmierung im klassischen Sinne – auch mit der Parallel-Programmierung, die die Computertechnologie in den achtziger und neunziger Jahren beherrschte – hatte dieser Prozess nur noch wenig gemein.
Clifford stellte sich einen einzelnen Würfel vor. Er stellte sich vor, dass er ihn schräg von oben, von einer der Ecken aus, betrachtete. Nachdem er das Bild fest in seinem Verstand verankert hatte, öffnete er die Augen und stellte fest, dass der Grafikschirm des BIAK eine recht genaue Abbildung seiner Vorstellung zeigte. Das Bild war nicht schlecht. Etwas ausgefranst an einer der Ecken, und die Linien waren an einigen Stellen etwas zittrig, aber im großen und ganzen – nicht schlecht. Noch während er darüber nachdachte, entnahm sein Unterbewusstsein die Informationen aus seinem Wahrnehmungszentrum, und die fehlerhaften Stellen auf dem Schirm verschwanden eine nach der anderen.
„Versuch mal, ein wenig Farbe reinzubringen“, schlug Aggie vor. Sie war der Grafik-Instruktor, der Clifford durch den letzten Teil des Kurses begleitete. Im Geist wählte Clifford die Farben Rot, Blau und Grün für die gegenüberliegenden Seiten des Würfels aus. Er konzentrierte sich auf den Gedanken, verfestigte ihn in seinem Verstand und projizierte ihn auf das Bild auf dem Schirm. Sofort wurde der hohle Würfel massiv und farbig.
„Gut“, kommentierte Aggie. „Nun versuch einmal, ihn rotieren zu lassen.“
Clifford zögerte eine Sekunde. Er spürte diesen leichten Stoß, der ein Anzeichen dafür war, dass die Bio-Verbindung instabil zu werden drohte. Doch er konnte es abfangen, bevor sich die verhängnisvolle Rückkoppelung aufbaute. Diese Reaktion war ihm zu einem reinen Reflex geworden. Er wurde ganz ruhig und versuchte eine Ecke des Würfels anzuheben, doch statt wie ein starrer Körper über die gegenüberliegende Kante abzurollen, verformte sich der Würfel und zerfloss wie warmer Fensterkitt. Clifford stieß ein kurzes, unfreiwilliges Lachen aus und brachte den Farbklumpen wieder in Würfelgestalt. Dann gab er dem BIAK den Befehl, das Bild auf dem Schirm festzuhalten, entspannte sich und lehnte sich in seinem Sitz zurück. „Das ging daneben“, sagte er. „Was habe ich falsch gemacht?“
„Du hast den Gedanken, dass es sich um einen starren Gegenstand handelt, nicht aufrechterhalten“, erklärte ihm Aggie. „Aber selbst wenn du das getan hättest – für den Anfang ist es sehr schwierig. Wenn man versucht, Kräfte von außen angreifen zu lassen. Das hast du doch versucht, nicht wahr?“
„Ja.“ Clifford war beeindruckt. „Woher weißt du das?“
„Man lernt schnell, solche Sachen zu entdecken. Also, wenn du es wieder versuchst, dann denke nicht daran, den Würfel tatsächlich zu bewegen. Stell dir vor, dass er fest verankert ist, und dass du um ihn herumgehst … so als sei er ein Gebäude oder ein Hoverjet. Wenn du es so machst, wirst du feststellen, dass sich die Starrheit und die anderen Eigenschaften durch die Kraft des Unterbewusstseins von selbst aufrechterhalten. Gut, dann probiere es noch einmal!“
Drei Tage später – es war am frühen Abend, nachdem ihr ernsthaftes Tagesgeschäft beendet war – zeigte Aggie Clifford einige Spielchen mit Trickfilmfiguren, die sie zum Spaß in
Weitere Kostenlose Bücher