Die Schokoladendiät
bevor es zu spät war.
Sie warf einen Blick auf die Uhr. Die Nacht rückte heran, es wurde Zeit, dass sie aufbrach. Sie schenkte ein Glas Milch ein, holte für Lewis zwei Vollkornkekse mit Schokolade und ging zurück ins Wohnzimmer. Mutter und Sohn waren auf dem Sessel eingedöst, doch Nadia wurde wach, als Chantal näher trat. «Sobald Lewis im Bett ist», sagte Chantal leise zu ihrer erschöpften Freundin, «nimmst du ein langes, heißes Bad und gehst dann früh schlafen.»
«Mach dir keine Sorgen», versicherte ihr Nadia gähnend. «Das ist genau das, was ich vorhatte.»
Chantal gab ihrer Freundin einen herzlichen Kuss und sagte: «Ich finde allein raus.» Sie schloss hinter sich die Tür, trat auf die Straße und atmete tief durch. Es war Zeit, zu Ted zu gehen.
53
Obwohl
Chantal noch einen Schlüssel hatte, fühlte sie sich unwohl bei dem Gedanken, einfach so in ihr ehemaliges Zuhause hineinzuspazieren. Sie war inzwischen ziemlich lange nicht mehr dort gewesen, und fühlte sich mittlerweile wie eine Fremde. Vielleicht sogar eine Fremde, die nicht willkommen war.
Das Haus lag im Dunkeln, und es sah nicht so aus, als sei Ted schon von der Arbeit heimgekehrt. Also beschloss sie, draußen zu warten. Es wäre womöglich kein guter Einstieg, wenn Ted nach Hause kam und sie im Wohnzimmer vor dem Fernseher vorfand, die Füße auf dem Tisch und ein Glas Mineralwasser in der Hand. Chantal parkte daher am Ende der Straße, von wo aus sie ihre Haustür gut im Blick hatte und Ted sofort sehen würde. Es war schon spät, und sie hoffte, nicht allzu lange warten zu müssen. Sie kramte im Handschuhfach nach ihrem Schokoladenvorrat und lehnte sich dann mit einer Tafel Valrhona Grand Cru im Sitz zurück. Die feine Milchschokolade mit einem Hauch Erdbeere und Sahne schmolz ihr auf der Zunge. Teure Schokolade war in schwierigen Situationen immer eine große Hilfe. Auch ein wenig Il Divo im C D-Player half. Eine langsame und sinnliche italienische Version von «UnbreakMy Heart» hüllte sie ein, während sie die sahnigen Bissen genoss.
Eine halbe Stunde später – ihr Rücken wurde allmählich taub, und die Schokolade war verzehrt – fuhr vor ihrem Haus ein Taxi vor, und Ted sprang heraus. Chantal beobachtete, wie er die Eingangstür aufschloss, und wartete noch ein paar Minuten, bis sie aus dem Auto stieg. Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie vor dem Klingelschild stand. Und Junior schlug ebenfalls Rückwärtssaltos. Sie strich mit den Händen über ihren kleinen, festen Bauch und überlegte, ob ihr Mann sofort sehen würde, dass sie schwanger war – und sie sich ihre sorgfältig zurechtgelegte Rede sparen konnte. Sie holte tief Luft und klingelte.
Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, riss Ted die Tür auf. Er war sichtlich überrascht, sie zu sehen.
«Hey», sagte sie leise. «Hast du Zeit für eine Besucherin?»
Ted schaute rasch auf seine Uhr, was sie innerlich sofort auf die Palme brachte. «Ich gehe aus», erklärte er ihr. «Ich bin nur kurz hier, um mich umzuziehen.»
Sie hatte nicht den weiten Weg auf sich genommen, um sich abwimmeln zu lassen. «Es dauert nur eine Minute», sagte sie und schob sich an ihm vorbei. Dann gingen sie in die Küche, wo sie einander unbeholfen gegenüberstanden. Das Haus sah noch genauso aus wie früher. Es standen keine junggesellentypischen Geschirrberge herum. Keine Haufen zerknitterter Hemden, die dringend gebügelt werden mussten. Aber warum auch? Schließlich hatten sie eine sehr zuverlässige Putzfrau, Maya, die jeden Tag kam, um sich um so etwas zu kümmern. Ihr Mann konnte sich durchaus selbst ein nahrhaftes Essen zubereiten – seine Spaghetti alla Carbonara waren legendär. Und da sie nicht gebraucht wurde,um im Schlafzimmer ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen, überlegte Chantal, ob er sie überhaupt vermisst hatte.
«Du bist nie ans Telefon gegangen», fing sie an und versuchte, nicht zu vorwurfsvoll zu klingen.
«Ich weiß.» Ted breitete in einer Was-soll-ich-machen?-Geste die Hände aus. «Auf der Arbeit ging es zu wie im Irrenhaus.» Er runzelte die Stirn. «War es das, worüber du mit mir reden wolltest?»
«Nein, nein.» Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich an den Eichenschrank.
«Dann schieß los.»
«Ähm … ich, ähm …» Plötzlich verließ sie der Mut. Ihr Mund wurde trocken, und ihr Herz klopfte unregelmäßig. Die minutiös vorbereitete Bekanntgabe ihres «Zustands» ging völlig den Bach hinunter. «Lucy heiratet.»
Ted
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