Die Schokoladendiät
Schokoclubs gehen mit mir aus. Clive und Tristan kommen auch mit, quasi als ehrenamtliche Frauen. Anscheinend soll diese ritualisierte Form der Demütigung ja wahnsinnig Spaß machen, aber ich mache eigentlich nur mit, weil meine Freundinnen es unbedingt wollen und behaupten, sie hätten einen großartigen Abend für mich geplant. In etwa zehn Minuten wollen sich alle vor dem Targa-Bürokomplex mit mir treffen, und ich sollte jetzt besser einen Zahn zulegen.
Als Teil des «Spaßes» haben mir meine Freundinnen eine Lachnummer von Brautkostüm mitgegeben, das sie wahrscheinlich in einem Sex-Shop erstanden haben. Es ist ein winziger und unglaublich nuttiger Fummel. Wenn man sich damit vor den Altar wagte, würde der Pfarrer sofort in Ohnmacht fallen. Ich habe weder die richtigen Beine noch den Mut für so etwas. Dennoch schiebe ich mich mit einem anklagenden Seufzer in eine Toilettenkabine, ziehe meine Bürokluft aus und zwänge mich in das lächerliche Outfit.
Ein enggeschnürtes Korsett lässt meine Brüste fast aus dem Mieder hüpfen, was mir eine gewisse Ähnlichkeit mit Nell Gwynn verleiht, der berühmten Mätresse von König Charles dem Zweiten. Ein paar Rüschen, die die Bezeichnung Rock kaum verdienen, umfassen meine Taille und enden – etwa dreißig Zentimeter kürzer, als der Anstand gebietet – knapp über meinem Po. Hinten auf dem Rücken ist ein großes, rotes L aufgenäht. Ich trage halterlose Strümpfe und weiße Girlie-Schuhe und befestige nur mit einem funkelndem Diadem eine drei Meter lange Schleppe aus billigem Netzstoff auf dem Kopf.
Dann werfe ich einen prüfenden Blick in den Spiegel. Es ist noch schlimmer, als ich dachte. Ich sehe aus, als wäre ich einer Playboy-Ausgabe für Brautfetischisten entsprungen. Derart nuttig kann ich mich unmöglich an die Öffentlichkeit wagen. In diesem Moment läutet mein Handy.
«Beeil dich», drängt Chantal. «Wir warten schon alle unten. Der Spaß geht gleich los.»
«Und ihr steckt auch in Kostümen?»
«Klar doch», antwortet Chantal. «Wir sind alle angemessen aufgetakelt. Komm schon, du verschwendest kostbare Zeit, in der wir uns betrinken könnten.»
«Du trinkst doch gar nichts mehr.»
«Da gibt es bestimmt ein Glas Mineralwasser, das auf meinen Namen reserviert ist», kontert sie.
Meine Wahl dürfte eher auf Wodka fallen. Diesen Fummel erträgt man nur mit sehr viel Alkohol.
«Komm schon,
shake a leg
», sagt Chantal, womit sie wieder einmal zeigt, dass sie auch als Amerikanerin dämliche englische Redewendungen beherrscht. Warum sagt man bloß «
Schüttel ein Bein»,
wenn man meint, dass jemand sich beeilen soll?
«Schütteln?», frage ich. «Wenn ich jetzt noch irgendwas schüttele, hüpft mir alles aus dem Dekolleté.»
«Wunderbar, genauso soll es sein», sagt sie lachend und legt auf.
Mit einem letzten Blick in den Spiegel füge ich mich meinem Schicksal und tröste mich damit, dass mich zumindest keiner sehen wird, den ich kenne.
Auf Zehenspitzen schleiche ich mich zur Tür des Großraumbüros. Doch die öffnet sich in genau diesem Moment, und herein kommt niemand Geringeres als Aiden Holby.
«Wow!», entfährt es ihm, als er mich sieht. Er holt scharf Luft und kriegt richtig Stielaugen.
«Was machst du denn hier?» Ich nehme eine aggressive Pose ein, die Hand mit meinem «Brautstrauß» aus grellbunten Kunstblumen in die Hüften gestemmt.
«Ich habe mein Notebook vergessen», erklärt er mit noch immer weit aufgerissenen Augen und mustert mich in aller Gemütsruhe. Dann breitet sich ein Grinsen auf seinen Lippen aus. «Zum Glück.»
«Untersteh dich, irgendjemandem im Büro davon zu erzählen», sage ich finster. Ich hebe sogar drohend denZeigefinger. «Oder du kriegst nie wieder auch nur ein einziges Stück Schokolade von mir ab.»
Mr. Sexy lacht laut los. Sein Blick wandert zwischen meinen Titten und meinen Oberschenkeln hin und her. Wie immer in Aiden Holbys Gegenwart werde ich knallrot. Er kämpft um eine ernsthafte Miene und fragt: «Ich nehme an, das ist nicht dein richtiges Hochzeitskleid.»
«Sei nicht albern.»
«
Ich
bin hier derjenige, der albern ist?» Er lächelt mich an. «Obwohl – eigentlich siehst du sogar richtig sexy aus, Herzchen.»
«Heute ist mein Junggesellinnenabschied
»
, erkläre ich. Und damit habe ich bekanntlich das Recht auf grauenhafte Fehltritte.
«Was du nicht sagst.» Wir stehen da und sehen einander verlegen an. «Wohin geht ihr?»
«Ins Mistress Jay’s.»
«Der Club mit der
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