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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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nur mühsam am Stock, den Gehsteig sich vorantastend, vollziehen konnte und dabei stoßweise aus seinem Leben erzählte. Vom
     Krieg, von der Eckkneipe, seinen Freunden, seiner Frau, die längst, nach kurzer und rasch verlaufener Krankheit, verstorben
     war und vom stolzen Elektrikerdasein, von Reparaturen irgendwelcher Leitungen, woraufhin er mit den Kunden noch Zigaretten
     rauchte und Schnaps trank.
    Dieses Eckkneipenleben, dachte Stephan, den Blick starr auf den sich zäh dahinfließenden Verkehr gerichtet, ist seinen Eltern
     verwehrt. Irgendwann, er war noch Gymnasiast, wurde die Eckkneipe, an der immer mit furchtbar zittriger Kreideschrift, wie
     er sich erinnerte, auf einer an der Außenwand befestigten Tafel Speisen angepriesen worden waren, geschlossen. An den von
     innen mit Zeitungspapier beklebten Fensterscheiben war seit geraumer Zeit schon ein »Zu vermieten«-Schild angebracht, welches
     witterungsbedingt ziemlich ausgeblichen war.
    Ein Leben führten seine Eltern, dachte Stephan und fasste |74| sich an die Stirn, das jeglicher Geselligkeit entbehrte. Eigentlich, wenn er es recht überlegte, hatten sie nur – ihn. Schamvoll
     griff er zu seinem schnurlosen Telefon und kündigte seinen Besuch an. Seine Mutter sagte: »Na, was für eine schöne Überraschung!«
    Wie sinnvoll es doch ist, hin und wieder sich gekränkt zu zeigen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen! Immer lebe man so,
     dass man anderen eine säumige Rechnung vorhalten kann; Schuldner um sich zu wissen heißt, mächtig zu sein. Nicht selten haben
     Eltern es darin zu wahrer Meisterschaft gebracht. Doch auch im Berufsleben ist diese Strategie unbedingt zu beherzigen. Wer
     einen Kollegen hat, der einen übertrieben aufbrausend auf einen Fehler, eine kleine Unaufmerksamkeit hinweist, um sich Respekt
     zu verschaffen, muss nicht unbedingt sogleich zurückkeifen. Er kann, was bisweilen weitaus schlagkräftiger ist, ein von großer
     Kränkung gezeichnetes Gesicht ihm entgegenhalten. Das vermag den Gegner, der sich nun unangemessen verhalten zu haben glaubt,
     dergestalt zu irritieren, dass er das Büro des Angegriffenen im unguten Glauben verlässt, er habe eine offene Rechnung erzeugt,
     die sich, wer weiß, noch rächen könnte.

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    |75| 12 AUSZUTEILEN VERSTEHEN
    U nmittelbar vor Beginn einer Tagung zu Giovanni Boccaccios »Dekameron«, einer bedeutenden italienischen Novellensammlung aus
     dem 14. Jahrhundert, standen die Vortragenden in geselliger Runde in einem Festsaal der Universität. Darunter: Ein älterer
     Hochschullehrer, Professor Meierwitz, und ein ambitionierter Nachwuchswissenschaftler. Professor Meierwitz, um den Jüngeren,
     der zu gewagten Theoriebildungen neigte, zu demütigen, sagte die unfeinen Worte: »Na, mein lieber Kollege, werden Sie uns
     heute wieder mit Ihren unseriösen Thesen behelligen?« Dann lachte er laut auf, blickte um sich mit seinen kleinen, von rötlichen
     Wimpern umsäumten Augen, um Zustimmung zu erheischen.
    Der Jüngere sagte nicht: »Und Sie, mein lieber Kollege? Werden Sie uns heute wieder mit Ihren seit dreißig Jahren unermüdlich
     vorgetragenen Beobachtungen über Boccaccios Verhältnis zur höfischen Welt langweilen?«, oder etwa: »Wer den Sie wieder zu einem Ihrer berüchtigt langatmigen, die Fachkollegen zum Nasebohren und Gähnen verleitenden Vorträge ansetzen,
     für die sich längst keine Kirchenmaus mehr interessiert?« Nein, das sagte der Nachwuchswissenschaftler |76| nicht. Der Nachwuchswissenschaftler parierte mit Witz, was eine schöne Waffe ist, sagte, wie wunderbar es doch sei, dass Boccaccio,
     der alte Italiener, ein Werk geschaffen habe, das offenbar noch immer die Gemüter erhitze. Ob es aber nicht vorteilhafter
     sei, da die Tagung erst in einer halben Stunde beginne, eben diese mit einem Aperitif – er wies auf einen Tisch, auf dem Sektgläser
     standen – vorerst gemeinsam abzukühlen? Die Herren lachten hüstelnd, dankbar darüber, dass die gereizte Stimmung zunächst
     in gemäßigte Heiterkeit überführt worden war.
    Übrigens, da dies ein geradezu musterhaftes Beispiel ist, wie man sich eines Angriffs erwehrt: Niemals sollte man einen Gegenangriff
     beginnen, wenn einem nichts Gescheites einfällt. Immer sehr unangenehm sind wirre Erwiderungen, unmäßige Zornesausbrüche usw.
     Wenn einem nichts Gescheites einfällt, sollte man mit einem kurzen Augenrollen lediglich die Unangemessenheit des Angriffs
     den Umstehenden kenntlich machen und schweigen.
    Der

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