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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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junge Wissenschaftler, der übrigens sogenannten kleinen Verhältnissen entstammte und gewisse Ressentiments seit je althergebrachten
     Machtverhältnissen gegenüber hatte, revanchierte sich im Anschluss an den Vortrag Meierwitz’, der, wie abzusehen war, tatsächlich
     sehr weitschweifend ausfiel und eher aus Gewohnheit als aus rechter Begeisterung mit solidem Applaus bedacht worden war. Es
     wurden Fragen an den Vortragenden gestellt, und der Nachwuchswissenschaftler hatte, von einer aus Lust an Rache befeuerten
     Konzentration, sich eine derart tückische Erwiderung ersonnen, |77| dass sie Professor Meierwitz in unschöne Verlegenheit brachte; dergestalt, dass er erblasste, gestenreich auf Gemeinplätze
     auswich und vom Fachpublikum mitleidige Blicke erntete. Dies schmerzt einen Vortragenden stets weitaus mehr als blanke Abneigung.
    Immer wichtig also: die Schwächen anderer erkennen. Wie irritiert reagieren eitle Menschen, wenn ihre Schönheit angezweifelt
     wird! Wie empfindlich berührt sind die sich intelligent Wähnenden, werden sie ihrer gedanklichen Beschränktheit überführt!
     Und die Stolzen, wenn sie ungeschickt sich zu verhalten genötigt sehen! Jeder Mensch hat eine Stelle, die besonders angreifbar
     ist, sie zu erspähen zeugt von Klugheit. Man hat den Menschen dort abzuholen, wo er abgeholt werden will, sein wunder Punkt,
     in mannigfaltigen Ausprägungen, ist seine ewige Eitelkeit, sein unauslöschlicher Geltungsdrang. So ahnte der Nachwuchswissenschaftler
     sehr richtig, dass Herr Meierwitz längst nicht mehr als die Koriphäe auf seinem Fachgebiet angesehen wurde wie dies vielleicht
     noch vor sieben, acht Jahren der Fall gewesen war, als er, durch umtriebige Aktivitäten in allerhand Gremien, zu einem hochschulpolitischen
     Schwergewicht gehörte. Doch eingestanden hat er sich diesen Machtverfall bis zum heutigen Tag nicht.
    Und so leicht das Austeilen in dieser Geschichte erscheint, es ist eine hohe Kunst. Denn immer gilt es, derart jemanden zu
     düpieren, dass man dabei den Umstehenden nicht als unangenehmer Charakter erscheint. Der Verstellungskünstler achtet sorgsam
     darauf, dass seine Giftpfeile als völlig |78| gerechte und beinahe schon freundliche Erwiderung auf eine Gemeinheit erscheinen.
    Ansonsten hat man einen römischen Ausspruch zu beherzigen: »Nisi caste, tamen caute«. Wenn nicht unschuldig, so sollte man
     heimlich zu Werke gehen. Sonst sagen nämlich alle, sich in Lauterkeit sonnend: »Was für ein unmoralischer Mensch!«, und schütteln
     verdrießlich den Kopf. Immer habe man sich den wunderbaren Kuckuck vor Augen zu halten. Er vermag es, sein Ei unbemerkt in
     ein fremdes Nest zu legen, in Gestalt und Farbe den anderen Eiern im Nest ähnelnd. Und kaum ist der Nestling auf der Welt,
     wirft er seine Stiefgeschwister aus dem Gelege. Seine Pflegeeltern täuscht er geschickt, denn sein Geschrei klingt wie das
     gemeinsame Rufen einer ganzen Brut. Doch ganz alleine hält er sein Maul auf, das brav mit Futter versorgt wird.
    Der Kuckuck ist ein Einzelkämpfer und versinnbildlicht damit treffend das Schicksal des Verstellungskünstlers unserer Zeit,
     denn anders als es eine jahrhundertealte Intrigentradition entfaltete, gibt es kaum mehr den Komplott, der von mehreren, durch
     eine gemeinsame Absicht vereinte Komplizen ausgeführt wird. Die Netzwerke sind heute weitaus labiler und wechseln beständig
     ihre Mitglieder, als dass sich mit ihrer Hilfe ein Plan schmieden ließe. Zwar gilt nach wie vor etwa die Grundregel, dass
     der Feind unseres Feindes uns stets zum Freund werden soll, und vereinzelt mag man Helfershelfer noch finden, doch zu unterschiedlich
     sind häufig die Interessen der Einzelnen.
    Die Kunst auszuteilen ist die Kunst, vom Ende her zu |79| denken. Keineswegs voreilig hat der Nachwuchswissenschaftler zurückgeschlagen, sondern auf die günstige Gelegenheit geharrt.
     Immer lasse man sein Vorhaben im Dunkeln, spiele die letzte Karte erst dann aus, wenn sie sicher zum Sieg führt. Baltasar
     Gracián hat einst sehr richtig angemerkt, dass man bisweilen nur »durch weite Räume der Zeit« sein Ziel erreicht. Und dieses
     kluge Warten-Können des Verstellungskünstlers zeigt aufs Schönste, dass der luziferische Aufstand, der ihm eigen ist, die
     Selbstbehauptung in feindlicher Umgebung, seinen Intellekt gesteigert hat.
    Über allem aber steht folgender Grundsatz: Als jemand, der mit großer Souveränität ausgestattet ist, gilt, wer es offenbar
     nie nötig

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