Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
Vom Netzwerk:
wissbegierigen Schülers. Das wäre sehr geschickt gewesen, denn, das wissen alle, die
     Jürgen gut kennen, als wahren Scharoun-Experten kann man ihn letztlich nicht bezeichnen. Alternativ dazu bietet es sich an,
     sobald jemand |123| etwas Gebildetes äußert, von dem man nur wenig weiß, kennerhaft zu nicken. So, als habe man das Gesagte wahrlich nicht zum
     ersten Mal gehört. Wie häufig gefallen uns Menschen sehr, die nicht unnötig reden.
     
    PS: Baltasar Gracián schrieb den schönen Satz: »Nicht aus Besorgnis, trivial zu sein, paradox werden.« Aus Furcht vor der
     Schlichtheit eigener Gedanken flüchten sich nicht wenige in dunkle Thesen, was auf wenig Gegenliebe trifft.
     
    PPS: Entweder man ist gebildet oder man ist es nicht. Ist man es nicht, sollte man sich zumindest einen kleinen Katalog kluger
     Sätze erstellen, damit man in Gesellschaft glänzen kann. Wie sagte doch gleich Oscar Wilde? »Der einzige Unterschied zwischen
     dem Heiligen und dem Sünder ist, dass jeder Heilige eine Vergangenheit und jeder Sünder eine Zukunft hat.« Oder aber man zitiere
     (zu feinsinnigen Anlässen) Heimito von Doderer: »Man muss manchmal von einem Menschen fortgehen, um ihn zu finden.«

[ Menü ]
    |124| 20 GEHEIMNISVOLL SEIN
    W ir sind abermals einen guten Schritt vorangegangen, um uns zu vervollkommnen, haben gesehen, wie mit Alkohol zu verfahren
     ist und mit Witz, welche Vorsichtsmaßnahmen bei Vertrauensbekundungen zu beachten sind und dass es niemals schaden kann, auf
     bescheidene Weise seine Bildung anzuzeigen. Wir wollen uns in diesem Kapitel einem allgemeineren Gegenstand nähern, der Frage
     nämlich, ob es besser ist, einen humorvollen oder einen geheimnisvollen Eindruck zu hinterlassen. Denn es gibt Menschen, die
     einnehmend sind, und Menschen, die uns betören. Erstere zeichnen sich durch ihren Humor aus, letztere durch ihre geheimnisvolle
     Aura.
    Die Humorvollen werden geschätzt aufgrund ihres Unterhaltungswerts, ihrer ansteckend guten Laune. Niemand fürchtet sich vor
     ihnen, sie werden allseits gemocht. Der Humorvolle darf übrigens mit dem, der Witz zeigt, beispielsweise während einer Konferenz
     eines Immobilienunternehmens, nicht verwechselt werden. Wer Witz hat, spaltet mit der Schärfe seiner Worte, der Humorvolle
     tritt in menschenfreundlicher, ja naiver Gestalt an uns heran. Mit lautem Lachen und offenen Armen steht er vor uns.
    |125| Jeder kennt Männer, die Frauen durch Humor zu verführen wissen. Mit sinnlichem Eifer widmen sie sich einem Hackbraten und
     führen gleichzeitig die munterste Konversation. Die dem Humorvollen gegenübersitzende Frau, von Heiterkeit geblendet, gelangt
     im Laufe eines solchen Abends zu dem Schluss: »Der ist so süß!« Den Bauch, der unschön über die Jeans schwappt, wird sie großzügig
     übersehen. Vor allem, wenn der Humorvolle es zu einem gewissen beruflichen Erfolg gebracht hat. Sein Makel: dass er eher geliebt
     als in erotischer Umnachtung begehrt wird. Seine größte Chance: dass er bisweilen unterschätzt wird. Er öffnet die Herzen
     anderer mühelos. Denn er gilt als gütig. Man vertraut sich ihm an. So sammelt er im Laufe der Zeit Wissen um Peinlichkeiten
     anderer an.
    Ganz anders ergeht es uns mit den Geheimnisvollen. Vor den Geheimnisvollen erzittern wir auf Anhieb und fühlen uns doch zu
     ihnen hingezogen, diesen wortkargen Menschen, denen wir eine faszinierende Vergangenheit zuschreiben. Schmerzvoll war sie
     gewiss, aber das hat sie reifen lassen zu beinahe jenseitigen Charakteren. Sie sprechen selten, doch wenn sie etwas sagen,
     hat es den Anschein, als kämen Dinge von Gewicht ans Licht.
    Auf Empfängen steht ein geheimnisvoller Mensch abseits, doch wirkt er nicht verloren. Eine Spur von Verachtung ist seinem
     Ausdruck eigen, doch er wirkt dadurch nicht abstoßend. Denn ist um ihn herum nicht das profanste Geschwätz? Dem Geheimnisvollen
     haftet eine düstere Schönheit an. Ihn anzusprechen begehren wir, doch wir wagen es |126| nicht; ihn zu küssen verlangt uns, doch wir fürchten seine Lippen. Er verspricht Bedeutung in einer sinnsuchenden Zeit.
    Schön also, wenn Sie zu den Geheimnisvollen gehören, die natürlich nicht als Geheimnisvolle auf die Welt gekommen sind, sondern
     sich ihre Aura durch zähe Übung abgerungen haben. Die Geheimnisvollen geben immer nur in kleinen Dosen etwas von sich preis:
     ihre Telefonnummer, ihr Lachen, ein Kleidungsstück. Sie wissen, dass Erotik auf der Ökonomie des Wissens beruht.

Weitere Kostenlose Bücher