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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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Drängen Ihrer Frau vollzogen werden musste, samt mühsamer Wanderung, Weinprobe usw. Und als Sie Kai
     Lantzer zur Fortsetzung der Gehaltsverhandlungen treffen (wieder sind Sie ein klein wenig zu spät gekommen), beginnen Sie
     mit einer recht langen Vorrede: Sie lobpreisen seine Qualifikationen (sein Verhandlungsgeschick, sein Sprachgefühl usw.) in
     noch übertriebenerer Weise als bei der ersten Verhandlungsrunde und so lange, bis er geschmeichelt lächelt. »Es gibt derzeit«,
     sagen Sie, »ein großes finanzielles Risiko für unseren Verlag, ich bin zuversichtlich, aber wir müssen einfach abwarten, ob
     unser britischer Nazi-Roman hält, was er verspricht.« Trotz der Risiken bieten Sie ihm nun 200 Euro an. Mehr sei einfach nicht
     drin. Sie bitten um Verständnis.
    Nun sind Sie auf drei Eventualitäten eingestellt. Wenn es stimmt, was Kai Lantzer vor einer Woche angedeutet hat, was Sie
     aber nicht glauben (dass er ein Angebot eines anderen Verlags hat), dann wird er diesen Umstand jetzt offen zur Sprache bringen
     und rigoros weiterverhandeln. Sie würden ihm in diesem Fall bis zu 600 Euro mehr Gehalt geben.
    Zweite Möglichkeit: Kai Lantzer wird, auch ohne dass er |134| ein Angebot hat, rigoros weiterverhandeln. Sie würden ihm, das wäre Ihnen gerade noch möglich ohne Gesichtsverlust, 400 Euro
     mehr geben.
    Die dritte Möglichkeit tritt ein.
    Kai Lantzer blickt Sie enttäuscht an, zuckt mit den Schultern, sagt, dass er sich mehr erhofft habe. Sie sagen: »Lassen Sie
     uns in einem halben Jahr noch einmal zusammensetzen. Ich möchte keinesfalls, dass Sie unzufrieden sind.«
    Sie verabschieden sich in halbwegs gelöster Stimmung, Ihr Vorschlag, in einem halben Jahr weiterzuverhandeln, scheint ihn
     beruhigt zu haben. Und da Sie tatsächlich in keiner Weise daran interessiert sind, ihn zu demotivieren, rufen Sie Kai Lantzer,
     der bereits halb in der Tür steht, noch einmal zurück: »Noch eine Kleinigkeit, Herr Lantzer. Eigentlich könnten wir, dachte
     ich, zum Du übergehen.« Sie strecken ihm die Hand entgegen: »Hermann.«
    »Kai«, sagt Kai Lantzer.
    Jede Verhandlung muss den Eindruck hinterlassen, als habe man sich in der Mitte von einander widerstrebenden Interessen getroffen.
     Sie beherrschen derlei Künste nahezu perfekt. Sie wissen das. Noch zwei Jahre. So lange wird Ihnen hier keiner etwas vormachen.
    Sie sind noch eine Weile alleine im Zimmer, rufen dann Ihre Sekretärin an.
    »Karin, Liebes«, sagen Sie.
    »Du musst an die frische Luft?«
    »Genau. Und falls jemand anruft oder mich sucht …«
    »Du hast einen wichtigen Termin.«
    |135| »Genau so ist es.«
    Auf dem Weg in Ihr Restaurant spüren Sie wieder dieses Magenstechen. Wird gleich schon wieder, der Tag ist einfach zu schön,
     als dass es sich lohnte, hierüber einen Gedanken zu verschwenden. Sie blicken nach oben. Keine Wolke trübt das satte Blau.

[ Menü ]
    |136| 22 MIT DER EIGENEN KOMPLIZIERTHEIT KOKETTIEREN
    A nnette Kirchmann, eine 37-jährige Kunsthistorikerin, während eines verlängerten Wochenendes auf einer ostdeutschen Insel,
     schloss sich mehr aus Langeweile als aus rechtem Interesse einer Führung durch ein für die Künstlerbewegung um 1900 nicht
     unwichtiges, schlossartiges Haus an, das sich sanft ans Meeresufer schmiegte und ausladenden Jugendstil mit englischen Landhauselementen
     vereinte. Wenigstens war sie dergestalt, nachdem sie große Begeisterung für das geschichtsträchtige Gebäude geäußert hatte,
     für wenige Stunden der Gesellschaft einer älteren Freundin entflohen, die sie nach längerer Zeit zum ersten Mal wieder getroffen
     hatte und die durchaus sich gastfreundlich zeigte, wenngleich, wider Erwarten, die Gespräche mit ihr sich unter großer Befangenheit
     nur vollzogen. So recht hatte man sich nichts mehr zu sagen, saß über Stunden vor einer großen Kanne Tee, mühsam sich alten
     Erinnerungen hingebend. Die Freundin war einst Annettes Vorgesetzte gewesen, als sie noch Studentin gewesen war und aushilfsweise
     in einem Meinungsforschungsinstitut gejobbt hatte. Sie leitete das Institut damals, war aber nach einem großen beruflichen
     Misserfolg auf diese Insel gezogen, um, wie sie sagte, »erst einmal zu |137| sich selbst zu kommen«. Annette vermutete, dass dieses Zu-sich-selbst-Kommen ihr nur wenig bekam, da sie auf beinahe unheimliche
     Weise gealtert schien und der früheren geistigen Wachheit deutlich entbehrte.
    Die Besichtigung begann auf dem Aussichtsturm. Die Fremdenführerin, eine

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