Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
Vom Netzwerk:
Stadt herauszukommen,
     an manchen Tagen noch länger. Gäbe es doch nur eine S-Bahnverbindung nach Dettersheim, das war ja mal angedacht worden, Herr
     Walter hätte die Wohnungen womöglich längst verkauft!
    Nun muss man wissen, dass die düstere Stimmung, in der |190| Heinrich Walter sich befand, von wahrlich unglücklichen Ereignissen in der Maklerei herrührten, an die unser Angestellter
     nur äußerst ungerne zurückdachte. Der Auftrag, für die Wohnungen in Dettersheim Käufer zu finden, war nämlich zunächst an
     seinen neuen, unangenehm ehrgeizigen Kollegen Hans Strass gegangen. Kaum hatte dieser die Dienstanweisung entgegengenommen,
     suchte er auffällig oft das Büro Herrn Walters auf, um unverhohlen zu prahlen. Was für eine Ehre das doch sei, sich um dieses
     Architekturjuwel in Dettersheim zu kümmern! Er freue sich! Dass der Chef gerade an ihn gedacht habe, wo er doch erst so frisch
     im Büro sei, empfinde er als Auszeichnung ersten Ranges; was denn Herr Walter gerade so Spannendes mache usw.
    Herr Walter, wer möchte es ihm verdenken, fühlte sich übergangen. Dass eine anspruchsvolle Aufgabe, ohne dass darüber auch
     nur ein Wort verloren worden war, sozusagen selbstredend Herrn Strass anvertraut wurde, geschah nicht zum ersten Mal. Derart
     gereizt vom Unrecht der Welt, trat er in das Büro seines jungen Chefs, der das aus dunklem Holz gefertigte, teure Mobiliar
     seines Vaters übernommen hatte. Der Chef saß vertieft vor seinem Computer, als Herr Walter allzu hektisch von den Gemeinheiten
     sprach, die ihm in der Maklerei widerfuhren, seit beinahe vierzig Jahren arbeite er in der Firma, verdienstreich wie kein
     Zweiter!
    Der Chef blickte freundlich auf, sagte nur: »Ja.« Und nach einer Pause, noch immer halb dem Bildschirm zugewandt: Wie er ihm
     behilflich sein könne?
    Herr Walter sagte (erstmals in seinem Leben war er in der |191| Maklerei wohl derart fordernd aufgetreten), dass er das Dettersheim-Projekt übernehmen wolle. Es gehe nicht an, dass sozusagen
     jedes halbwegs spannende Projekt Herrn Strass übertragen werde. Dabei stampfte er, was einem unbeteiligten Zuschauer amüsant
     erscheinen mochte, mit seinem rechten Fuß wütend auf den Parkettboden.
    »So?«, sagte sein Chef daraufhin, während er sich vergnügt, wie Herrn Walter schien, zurücklehnte. Dieser Auftrag sei mit
     vielen unangenehmen Reisen verbunden. Er habe deshalb an den jüngeren Kollegen gedacht, aber wenn Herr Walter ein derartiges
     Feuer, Dettersheim betreffend, gefangen habe, nun, er wolle keineswegs sein Engagement zügeln. Er könne aber nichts versprechen,
     müsse mit Herrn Strass zunächst darüber reden … Herr Strass, unter nur wenigen Windungen, zeigte sich, zur großen Überraschung
     Herrn Walters, auf scheinbar großherzige Weise dazu bereit, das Projekt abzutreten.
    Noch immer befand sich Heinrich Walter innerhalb der Stadtgrenze. Doch die Häuserwände links und rechts zeigten bereits ein
     paar Lücken, ungenutztes Bauland. Dünn besiedelte Ortsteile passierte Heinrich Walter, die er früher nicht einmal vom Namen
     her gekannt hatte. Irgendwo kläffte ein Hund. Endlich löste sich der Verkehr auf, eine Tankstelle zog vorbei, gleißend wirkte
     ihr unwirkliches Licht in dem von zahlreichen stillgelegten Fabrikhallen dominierten Stadtviertel. Gingen hier tatsächlich
     einst Arbeiter mit ihren ölverschmierten Händen ein und aus? Einige Gebäude, wie um ihren schmachvollen Verfall noch eigens
     hervorzuheben, |192| waren angestrahlt, Herr Walter erblickte zerbrochene Fensterscheiben, einem Wundmal kam die hässliche Graffitibemalung auf
     dem schmutzigen Backstein gleich.
    Da, endlich, die Abzweigung zur Landstraße. Nun war es nicht mehr weit. Heinrich Walter schaltete in den vierten Gang.
    Wie müde er doch war! Schlafmangel, gewiss. Doch auch Müdigkeit aus einer Überfülle an Gedanken, die ihn seit Wochen plagten.
     Plage – ja, das ist das richtige Wort, als wären von einem Tag auf den anderen Mäuse oder Ungeziefer im Haus. Eingenistet
     hatten sie sich und schienen fest entschlossen zu bleiben. Man wollte ihn weghaben. Daran dachte er unentwegt. Die Blicke
     seines Chefs, seit es mit dem Dettersheim-Projekt nicht recht voranging: ungnädig bis feindselig. Er solle sich gefälligst
     was einfallen lassen!
    Herr Walter hatte die Anfangserfolge der Maklerei noch als sehr junger Mann miterlebt, ein Stück Aufbaugeschichte dieses Landes.
     Damals gab es noch vereinzelt Einschusslöcher an

Weitere Kostenlose Bücher