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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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der Not geborene Verhärtung ist übrigens nicht zu verwechseln mit einer gezielt eingesetzten
     Unbeholfenheit, die durchaus kokett wirken und erotische Aufgeregtheit suggerieren kann. Dann aber blickt man niemals wortkarg
     auf den Boden, sondern, ganz im Gegenteil, man redet eher eine Spur zu viel.
    Die Selbstbeobachtung nicht soweit zu treiben, dass sie |183| zur Zermürbung führt, ist überaus wichtig; sie darf, so paradox es klingt, niemals die nackte Wahrheit ans Licht bringen.
     Gerade in Liebesangelegenheiten zeigt sich, dass man sich stets zusammenzureißen hat, um keine Gelegenheit zu verpassen. Und
     immer ist es weitaus sinnvoller, sich eher ein ganz kleines bisschen zu über- als zu unterschätzen. So, wie es der Autor auf
     seinen Lesungen machte. Er trat stets mit würdigem Selbstbewusstsein auf, gerade so, als hätte es niemals eine Zeit gegeben,
     in der er schwermütig, da sich seine Werke nur schlecht verkauften, in Unmaßen Wein minderer Güte getrunken hatte.
    Der Verstellungskünstler bringt jenen riskanten Einsatz auf, der einer Selbstlüge gleichkommt: Er blendet seine Schwächen
     gezielt aus. Dieses Ausblenden ist Erfolgsgarant und Achillesferse in einem. In diesem Spannungsfeld arrangiert er sich fabelhaft.

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    |184| 30 DÜNN SEIN
    E in noch halbwegs junger Mann namens Olaf Herse traf im Supermarkt – in seinem Wagen lagen Cornflakes, zwei Tafeln Schokolade,
     eine Flasche Wein und diverse Käsesorten – einen alten Bekannten wieder, den er wohl seit etwa einem Jahr nicht gesehen hatte.
     Dieser blickte Olaf Herse zur Begrüßung nur schweigend an, maß ihn mit einem spöttischen Blick, grinste. Es war offensichtlich,
     was ihm aufgefallen war. Man hatte sich ziemlich weit auseinandergelebt: Olaf Herse hatte schätzungsweise zehn Kilogramm zugenommen
     innerhalb dieses Jahres.
    Woran es lag, ließ sich kaum sagen, vielleicht am Alter (er war Mitte dreißig), vielleicht aber an einer nicht ganz reibungslos
     verlaufenen Karriere (zahlreiche Bewerbungen, Vorstellungsgespräche, mehrmaliger Wechsel des Arbeitgebers usw.), die der leiblichen
     Tröstung bedurfte.
    Das Gespräch kam nur mühsam in Gang. Olaf Herse verabschiedete sich rasch von seinem Bekannten, eilte nach Hause, stellte
     sich in seinem Schlafzimmer vor dem Spiegel auf, zog die Wangen zusammen, betrachtete sich im Profil. Wenn er die Bauchmuskeln
     anspannte, war es sooo schlimm nicht. Sein Arzt sprach von leichtem Übergewicht (mit der |185| Betonung, wie ihm schien, auf
leicht
). Um also keine falschen Vorstellungen zu erwecken: Niemand zeigte auf der Straße mit dem Finger auf Olaf Herse, es war nicht
     – dramatisch. Jeder Zweite ist irgendwie dicklich.
    Doch wer möchte schon jedermann sein.
    Das war immer die Gnade des Mannes gewesen, dachte Olaf Herse, während er sich gedankenverloren über den Bauch strich, dass
     er nie einen Anlass sah, auf die Waage zu steigen. Wenn er allein wohnte, besaß er nicht mal eine. Frauen waren um ihre Körper
     besorgt. Sie machten Diäten, quälten sich mit Leibesübungen, nicht wenige aus seiner Schulzeit wurden magersüchtig. Jedenfalls
     beobachteten sie sich gern selbst. Und sprachen über das Zu- oder das Abnehmen. Sie reflektierten immer ihre Beobachtungen.
     Das taten Männer nicht. Früher jedenfalls nicht. Das hat sich leider verändert.
    Die Reflexionsschleifen der Frauen führten immer zu Komplikationen zwischen den Geschlechtern. »Sag mal, habe ich zugenommen?«,
     fragten Olaf Herses Freundinnen immer, sobald sie Zutrauen zu ihm gefasst hatten. In den meisten Fällen hatte Olaf Herse keine
     Veränderung wahrgenommen und sagte: »Quatsch.« Hatte er doch eine wahrgenommen, sagte er: »Quatsch.«
    Olaf Herses Großväter waren beide, was man stattlich nannte. Sie aßen, was man eben so aß: Schnitzel, Hackbraten, Wurst, Kartoffeln.
     Sie hatten mit der größten Selbstverständlichkeit einen Bauch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihre Frauen besorgniserregt
     gefragt hätten, ob sie |186| zugenommen hätten. Sie wurden zweifellos geliebt. Sicherlich auch begehrt. Womöglich deshalb.
    Olaf Herse, noch immer grübelnd vor dem Spiegel stehend, dachte an ein Interview, das er kürzlich gelesen hatte. Darin sprach
     ein Mediziner darüber, dass Männer häufiger zu Übergewicht neigten als Frauen. Das sei karriereschädigend, man schaffe es
     mit Übergewicht nicht mehr in die Vorstandsetage, man solle unbedingt joggen und Vollkornbrot essen.
    Welcher Mann

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