Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
hatten, wie es Angelika angeordnet
hatte, die Hände frivol über ihr von dünnen Designerhosen bedecktes Geschlecht gelegt, sollte irgendwie witzig sein, subversiv.
Die Fotos gefielen der Layouterin des Modemagazins aber nicht. Zu vulgär, unbrauchbar, undruckbar, hieß es, man produziere
keine Schwulenpornos usw. Es gab, immerhin, ein kleines Ausfallhonorar.
An all die kleinen Niederlagen ihres Lebens dachte Angelika auf der Party, an ihre privat organisierte Ausstellung, die doch,
wie sie sich eingestehen musste, einfach nur peinlich gewesen war; aus Mitleid hatten ihre Eltern vermutlich ihre Großmutter
dazu überredet, ihr die Bilder abzukaufen; an ihren Freund Frank, den Architekten, der ihre Bilder womöglich im Stillen schon
immer belächelt hatte, dachte sie, als sie der junge Autor mit einem einfachen, aber doch liebenswert spontanen »Na, wie geht’s?«
ansprach, gegen 23 Uhr im Arbeitszimmer der Gastgeberin, mit einem feinen Lächeln, das wir nur loben können, so angenehm sah
es aus.
Der Autor empfand sich gerade zu Recht auf dem Gipfel seines Erfolges. Sein dünner Band, eine turbulente Liebesgeschichte,
die in Mailand spielte, verkaufte sich, nach Jahren der bittersten Erfolglosigkeit, blendend, und es schmeichelte ihm sehr,
dass Menschen, die ihm immer skeptisch gegenübergestanden hatten, ihm nun auf die Schulter klopften oder aber ihn wie zufällig
umkreisten, um beständig in seiner Nähe zu sein. Er mied auf der Party nur fürsorglich eine Bekannte seiner Ex-Freundin, um
nicht in ein unerquickliches |181| Gespräch gezogen zu werden. Sie stand zumeist in der Küche, was den kleinen Nachteil hatte, das er stets seine Freunde darum
bitten musste, ihm ein Getränk zu besorgen – wobei, es passte letztlich gut zu der Aura des Erfolgreichen, dass er sich um
derart Weltliches nicht selbst kümmern musste.
Die zweite Sorge, die ihn ab und an beschlich, war sein vager Verdacht, dass seine neue Freundin, die er im Anschluss an eine
seiner stets überfüllten Lesungen kennengelernt hatte, womöglich ein Fehlgriff gewesen war. Seitdem die erste, in glühender
Körperlichkeit verbrachte Zeit abgeklungen war, saß man oft schweigend in irgendwelchen Bars der Stadt, und es ärgerte den
Autor mittlerweile, dass sie ihn noch immer ehrfürchtig anblickte, ihn ununterbrochen streichelte, verzärtelt, als sei er
das zerbrechlichste Geschöpf auf Erden. Auch mochte er es nicht, was er sich ihr aber nicht zu sagen traute, mit »Mein Löwe!«
angesprochen zu werden. Gut, dass sie, wenn auch widerwillig, an diesem Wochenende zu ihren Eltern gefahren war.
Warum erzählen wir diese an sich äußerst ereignisarme Geschichte? Sie handelt in ihrem Kern tatsächlich nur von einem winzigen
Ereignis auf einer Party, wie es sich allabendlich überall ereignet: Angelika, von Selbstzweifeln geplagt, blickte, als sie
angesprochen worden war, nur auf den Boden und sagte: »Was? … äh, keine Ahnung.« Dann wandte sie sich ihrem Glas zu. Der Autor,
Abweisungen zur Zeit wahrlich nicht gewohnt, zog, nicht wenig irritiert, weiter, man mied sich für den Rest der Party.
Nun, den Erzähler, den Allwissenden, schmerzt diese |182| kleine Episode sehr, denn der Autor und die Fotografin waren wie für einander gemacht, begegneten sich aber kein zweites Mal
in ihrem Leben. Dabei hätten sie sich aufs Schönste ergänzt; aufgrund zahlreicher Charaktereigenschaften, die hier nicht ausgebreitet
werden sollen, da sie nicht unmittelbar etwas zur Sache tun. Nur soviel sei verraten: Am Ende ihres Lebens hätten die beiden
ein Großelternpaar abgegeben, wie man es aus der Werbung kennt. Strahlend hätten sie mit ihren prächtigen, etwas dicklichen
Enkelkindern unter einem Baum gesessen, saftige Äpfel gegessen und auf ein ungeheuer ereignisreiches, nur von wenigen Schicksalsschlägen
getrübtes Leben zurückgeblickt. Noch in diesem sehr hohen Alter hätten sich die beiden gegenseitig zärtlich die Wangen gestreichelt.
Stattdessen weiß der Erzähler zu berichten, dass sich sowohl Angelika als auch der junge Autor noch über eine unschön lange
Zeit regelrecht in ihre damaligen Beziehungen verbissen, die sie zu verhärteten, ja beinahe unangenehmen Menschen wandeln
sollten – oh, weg mit diesen hässlichen Gedanken!
Weniges nur ist schadhafter als verstockte Unsicherheit. Häufig entsteht sie aus einer Überfülle an Gedanken. Damit sollte
man niemals übertreiben. Eine derart aus
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