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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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Julius: »Ich erinnere mich, dass Sie sagten, um in Würde zu altern, müsste ich die Einschränkung meiner Möglichkeiten akzeptieren.«
    »Lange vor Gardner«, warf Philip ein, »hat Heidegger«, er wandte sich an Tony, »ein bedeutender deutscher Philosoph in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts . . .«
    »Und ein bedeutender Nazi«, unterbrach Pam.
    Philip ignorierte Pams Bemerkung. »Heidegger sprach von der Konfrontation mit der Begrenztheit von Möglichkeiten. Genau genommen assoziierte er sie mit der Angst vor dem Tod. Der Tod sei, so meinte er, die Unmöglichkeit weiterer Möglichkeiten.«
    »Der Tod als die Unmöglichkeit weiterer Möglichkeiten«, wiederholte Julius, »ein starker Gedanke. Vielleicht klebe ich mir den an meinen Spiegel. Danke, Philip. Es gibt so vieles, was hier näher unter die Lupe zu nehmen wäre, zum Beispiel Ihre Gefühle, Pam, aber erst noch ein Satz zu Ihnen, Rebecca. Diese Episode in Las Vegas muss vorgefallen sein, während Sie und ich uns regelmäßig trafen, und Sie haben sie mir gegenüber nie erwähnt. Das verrät mir, wie sehr Sie sich geschämt haben müssen.«
    Rebecca nickte. »Ja, ich hatte beschlossen, die ganze Geschichte aus meinem Gedächtnis zu streichen.« Nachdem sie innegehalten und überlegt hatte, ob sie noch etwas sagen sollte, fügte sie hinzu: »Da ist noch was, Julius. Ich habe mich geschämt, aber noch mehr . . . jetzt wird’s riskant . . . noch mehr Scham empfand ich, wenn ich hinterher daran dachte: Es war ein fantastischer Kick – kein sexueller Kick, nein, das stimmt nicht, kein bloßer sexueller Kick, sondern zusätzlich die Erregung darüber, außerhalb des Gesetzes zu stehen, primitiv zu sein. Und wissen Sie«, Rebecca wandte sich an Tony, »deshalb
haben Sie mich auch immer angezogen, Tony – mit Ihrer Verurteilung, Ihren Kneipenschlägereien, Ihrer Missachtung der Regeln. Aber gerade eben haben Sie es zu weit getrieben; die Nummer mit dem Geldrausholen war unverschämt.«
    Ehe Tony antworten konnte, sprang Stuart ein. »Sie haben ganz schön Mumm, Rebecca. Ich bewundere Sie. Und Sie haben mir damit die Möglichkeit gegeben, auch etwas zu offenbaren, über das ich noch nie mit jemandem geredet habe – weder mit Julius noch mit meinem vorherigen Psychiater, mit niemandem.« Er zögerte, schaute jedem einzelnen Gruppenmitglied in die Augen. »Ich will nur eben den Sicherheitsfaktor überprüfen. Meine Geschichte ist höchst riskant. Ich fühle mich hier bei jedem sicher mit Ausnahme von Ihnen, Philip, weil ich Sie noch nicht so gut kenne. Julius hat doch bestimmt mit Ihnen über das Thema Vertraulichkeit gesprochen?«
    Schweigen.
    »Philip, Ihr Schweigen blockiert mich. Ich habe Sie etwas gefragt«, sagte Stuart, der sich jetzt Philip direkter zuwandte. »Was ist los? Warum antworten Sie nicht?«
    Philip schaute auf. »Ich wusste nicht, dass eine Antwort erforderlich ist.«
    »Ich sagte, Julius habe doch bestimmt mit Ihnen über das Thema Vertraulichkeit gesprochen, und am Ende des Satzes habe ich meine Stimme angehoben. Das lässt auf eine Frage schließen – stimmt’s? Außerdem, ging nicht aus dem Zusammenhang hervor, dass ich eine Antwort von Ihnen erwartete?«
    »Ich verstehe«, entgegnete Philip. »Ja, das mit der Vertraulichkeit hat Julius mir gesagt, und ja, ich habe mich verpflichtet, alle fundamentalen Regeln der Gruppe in Ehren zu halten, so auch die der Vertraulichkeit.«
    »Gut«, sagte Stuart. »Wissen Sie, Philip, allmählich ändere ich meine Meinung – zuerst hielt ich Sie für arrogant, aber so langsam glaube ich, dass Sie einfach noch nicht handzahm oder menschenzahm sind. Und dafür brauche ich keine Antwort  – die steht Ihnen frei.«

    »Hey, Stuart – prima!«, sagte Tony grinsend. »Sie entlarven sich, Mann. Gefällt mir.«
    Stuart nickte. »Ich meinte das nicht negativ, Philip, aber ich habe eine Geschichte zu erzählen und muss mich vergewissern, dass sie hier gut aufgehoben ist. Also«, er holte tief Luft, »los geht’s. Vor ungefähr dreizehn oder vierzehn Jahren – ich hatte gerade meine Assistenzzeit hinter mir und wollte eine Praxis eröffnen – fuhr ich auf einen Kinderarztkongress auf Jamaika. Der Zweck solcher Kongresse ist der, sich in der medizinischen Forschung auf den neuesten Stand zu bringen, aber Sie wissen ja, dass viele Ärzte aus anderen Gründen teilnehmen: um Ausschau nach einer Praxisbeteiligung oder einem Job an der Uni zu halten . . . oder einfach nur, um sich’s gut gehen

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