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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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sich gern an Bettpfosten fesseln.«
    Julius zuckte zusammen. Grundgütiger! Worauf war Philip aus – wollte er etwa Pams Präferenzen enthüllen? Da kamen Probleme auf ihn zu.
    Ehe er Philip bremsen konnte, schoss Pam auf ihn los: »Sie sind echt ekelhaft. Widerwärtig.« Sie beugte sich vor, als wollte sie aufstehen und gehen.
    Bonnie legte Pam die Hand auf den Arm, um sie zurückzuhalten, und sagte zu Philip: »Da muss ich Pam Recht geben. Philip, sind Sie verrückt? Wieso um alles in der Welt protzen Sie mit so was?«
    »Ja«, meinte Gill, »ich verstehe Sie nicht. Da werden nun schon mörderische Attacken gegen Sie gefahren – ich meine, ich hätte Angst an Ihrer Stelle. Ich könnte mich dem nicht so aussetzen wie Sie. Aber was tun Sie? Sie gießen Öl ins Feuer und sagen: › Verbrennt mich noch mehr.‹ Nichts für ungut, Philip, aber Scheiße, wie können Sie das machen?«
    »Ja, so sehe ich das auch«, sagte Stuart. »Wenn ich in Ihrer Lage wäre, würde ich mich im bestmöglichen Licht darstellen wollen – und nicht dem Feind noch mehr Munition liefern.«
    Julius versuchte, die Wogen zu glätten. »Philip, was haben Sie in den letzten Minuten empfunden?«
    »Na ja, ich hatte etwas Wichtiges zu sagen über die Liste, und ich habe es gesagt – also bin ich natürlich vollkommen zufrieden mit dem Gang der Ereignisse.«
    Julius ließ nicht locker. »Mehrere Leute haben auf Sie reagiert, Philip. Wie fühlen Sie sich dabei?«

    »Da mache ich nicht mit, Julius. Der Weg bringt nichts. Es ist weitaus besser, wenn ich das für mich behalte.«
    Julius holte ein weiteres Instrument aus seiner Wundertüte – die altehrwürdige, aber zuverlässige Strategie des Konditionals. »Philip, probieren Sie es mal mit einem Gedankenexperiment. Philosophen tun das tagtäglich. Ich verstehe Ihren Wunsch, Ihren Gleichmut aufrecht zu erhalten, aber tun Sie mir den Gefallen und versuchen Sie sich einen Moment lang vorzustellen, dass Sie bei den heutigen Reaktionen der anderen etwas empfunden hätten. Was könnte das gewesen sein?«
    Philip erwog Julius’ Frage, lächelte schwach und nickte, vielleicht als Zeichen der Bewunderung für Julius’ einfallsreiches Vorgehen.
    »Ein Experiment? Na schön. Wenn ich etwas empfunden hätte, dann wäre das Angst gewesen vor der Heftigkeit von Pams Einwurf. Ich bin mir durchaus bewusst, dass sie mir am liebsten schweren Schaden zufügen würde.«
    Pam wollte ihn unterbrechen, doch Julius bedeutete ihr, still zu sein und Philip fortfahren zu lassen.
    »Dann wollte Bonnie wissen, was der Sinn meiner Protzerei sei, und dann fragten Gill und Stuart, warum ich versuchte, Harakiri zu verüben,«
    »Harakiri?«, erkundigte sich Tony.
    Pam machte den Mund auf, um zu antworten, doch Philip sagte schon: »Harakiri – eine japanische Form des Selbstmords.«
    »Okay, Sie haben es halb geschafft«, fuhr Julius unbeirrt fort. »Sie haben präzise beschrieben, was geschehen ist – was Bonnie, Gill und Stuart gesagt haben. Jetzt versuchen Sie, das Experiment fortzusetzen – wenn Sie etwas bei ihren Kommentaren empfunden hätten.«
    »Stimmt. Ich habe mich ablenken lassen. Zweifellos schließen Sie daraus, dass mein Unbewusstes zutage tritt.«
    Julius nickte. »Weiter, Philip.«
    »Ich hätte mich total missverstanden gefühlt. Zu Pam hätte
ich gesagt: ›Ich wollte nicht versuchen, das mit der Liste okay erscheinen zu lassen.‹ Zu Bonnie hätte ich gesagt: ›Protzen war das Letzte, was ich im Sinn hatte.‹ Zu Gill und Stuart hätte ich gesagt: ›Danke für die Warnung, aber ich hatte nicht vor, mich zu verletzen.‹«
    »Okay, jetzt wissen wir, was Sie nicht tun wollten. Dann sagen Sie uns doch, was Sie wollten. Ich bin verwirrt«, sagte Bonnie.
    »Ich wollte die Sache einfach klarstellen. Dem Diktat der Vernunft genügen. Nicht mehr und nicht weniger.«
    Die Gruppe verfiel in den Zustand, der stets auf eine Interaktion mit Philip folgte. Er war so rational, so erhaben über die Auseinandersetzungen des täglichen Lebens. Alle schauten zu Boden, verwundert, desorientiert. Tony schüttelte den Kopf.
    »Ich verstehe alles, was Sie angeführt haben«, sagte Julius, »bis auf das Letzte – diesen letzten Satz – ›nicht mehr und nicht weniger‹. Den kaufe ich Ihnen nicht ab. Warum gerade jetzt, heute, zu diesem Zeitpunkt Ihrer Beziehung zu uns mit diesem besonderen Aspekt der Wahrheit rausrücken? Sie waren ganz versessen darauf. Sie konnten es nicht abwarten. Ich habe gespürt, wie es Sie

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