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Die schottische Braut

Die schottische Braut

Titel: Die schottische Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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mit der sie sich an ihn drängte, als wollte sie ihn in ihren Armen wiegen.
    “Erinnerst du dich an sie?”
    “Nein.” Das stimmte nicht, und doch, obwohl er nicht wusste, warum, war es ihm plötzlich wichtig, dass Jenny die Wahrheit kannte. “Nun ja, da sind einige Erinnerungen an sie, die ab und zu auftauchen, immer wenn ich sie am wenigsten erwarte.”
    “Ja?”
    “Manchmal sehe ich sie in Gedanken vor mir, sehe sie lachen. Und hin und wieder, wenn ich im Halbschlaf bin, kann ich ihren Duft wahrnehmen und die sanfte Berührung ihres Kusses auf meiner Stirn spüren …”
    Die Stimme versagte ihm. Er hob sein Gesicht in den Nachthimmel, und der Regen rann ihm über Stirn, Wangen und Kinn wie eine Flut von Tränen.
    “Harris?” Ein angstvoller Unterton schwang in ihrer Stimme mit. “Das Wasser wird wieder tiefer, habe ich recht?”
    Sie hatte recht. Selbst in den einzelnen Wellentälern war der Wasserstand höher, als er es zuvor war.
    “Die Flut muss eingesetzt haben.” Er bemühte sich, die Besorgnis in seiner Stimme zu unterdrücken – ohne Erfolg.
    “Ich will jetzt nicht sterben, Harris. Noch nie genoss ich mein Leben wie in den vergangenen sechs Wochen.”
    Harris versuchte die Hoffnung, die diese Worte in ihm hervorriefen, zu unterdrücken. Gewiss meinte sie die Aussicht, Roderick Douglas zu ehelichen. “Du wirst nicht sterben, Jenny. Du hast zu viel Mut. Denk an Mr Douglas. Er wartet auf dich in Chatham, und du bist nicht das Mädchen, das ihren Bräutigam enttäuscht.”
    Harris erwartete nun, dass sie ein Loblied über Rodericks Tugenden anstimmen würde, und bereitete sich vor, dies zu ertragen. Zumindest würde es sie von ihrer gefährlichen Lage ablenken.
    “Warum ist deine Mutter davongelaufen, Harris?” erkundigte Jenny sich. Ihre Frage kam für ihn so überraschend, dass er einen Moment lang aus dem inneren Gleichgewicht geriet. Es dauerte eine Weile, ehe er etwas erwidern konnte.
    “Da ist noch etwas, woran ich mich erinnere, Jenny. An ihre Augen, als sie mich nach dem Brand ansah. Sie verließ uns, weil sie meinen Anblick nicht ertragen konnte.”
    Wie konnte er nur denken, dass sich etwas geändert hatte? Immer noch trug er die Brandmale, und abermals würde eine Frau aus seinem Leben verschwinden, die ihm nicht gleichgültig war. Ohne einen Blick zurückzuwerfen. Er sehnte sich fast danach, den Kampf aufzugeben und sich einfach den Wellen hinzugeben mit Jenny in seinen Armen.
    “Das kann ich nicht glauben.” Ihre Worte rissen Harris aus seinen quälenden Gedanken. Er versuchte zu begreifen, was sie meinte.
    “Keine Mutter würde so etwas tun. Sie mochte andere Gründe gehabt haben, die ein Kind nicht fähig war zu erkennen.”
    “Welche denn …?”
    Jenny versuchte, die richtigen Worte zu finden. Wie konnte ein Mann die ständige Plackerei und grauenvolle Einsamkeit verstehen? Vielleicht hatte das Feuer, das Harris die Narben zugefügt und die Zerstörung des Chisholm-Anwesens bewirkt hatte, auch die Mutter hartherziger gemacht. Doch genug, um ihren Sohn im Stich zu lassen? Jenny konnte es nicht glauben.
    “Du hast keine Ahnung, wie eine Frau fühlt, Harris. Ich weiß sehr genau, wie es ist, wenn man sich nach etwas anderem sehnt. Nach etwas Besserem. Vielleicht hatte auch deine Mutter solche Wünsche.”
    Auf Jennys Worte folgte zuerst Schweigen.
    Nach einer Weile bemerkte Harris leise: “Ja, Jenny. So könnte es gewesen sein.”
    Sie vermochte den Gedanken nicht zu ertragen, dass Harris mit solch bitteren Erinnerungen in diesen Stunden, die seine letzten sein könnten, lebte. Jenny schalt sich dafür, dass sie diese alten Geschichten überhaupt heraufbeschworen hatte. Angestrengt suchte sie nach einem unverfänglichen Thema.
    “Interessiert es dich, was ich mir wünsche, Harris?”
    “Ja, Jenny.” Er seufzte. “Immerhin bin ich dein guter Geist. Du willst Mr Douglas heiraten, um wohlhabend bis zum Ende deiner Tage zu leben.”
    “Da ist noch etwas. Ich empfinde eine Spur Bedauern.”
    “Was bedauerst du, Jenny? Außer, dass du deinen Fuß auf das Unglücksschiff
St. Bride
gesetzt hast.”
    “Ich bedauere …” Plötzlich richteten sich all ihre Sinne auf die Berührung ihrer Körper. “Ich bedauere, dass ich dich nicht besser kennengelernt habe, als wir in Dalbeattie lebten. Wer weiß, vielleicht wären wir ein Paar geworden?”
    Sie fühlte, wie ein Beben durch seinen Körper ging. Dem folgte ein Lachen. Es hatte einen seltsamen Klang – zu diesem Zeitpunkt und

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