Die schottische Braut
bekommen. Die Menschen in Chatham werden auf die Schiffsladung warten müssen – oder zumindest auf die Waren, die nicht durch eindringendes Wasser vernichtet wurden. Ich denke, die
St. Bride
wird erst in gut sechs Wochen wieder auslaufen können.”
“Sechs Wochen.” Harris versuchte, die Ungeduld in seiner Stimme zu verbergen, doch er scheiterte kläglich.
Robert Jardine warf ihm einen fragenden Seitenblick zu. “So sind Sie also in Eile, sich wieder auf den Weg zu machen. Ich dachte mir schon, dass Sie noch ankommen wollen, ehe der Winter hereinbricht.”
Harris zuckte die Schultern. “Ich habe kein bestimmtes Ziel im Auge, deshalb ist für mich ein Ort so gut wie der andere.” Irgendwo, wo er kein Fremder war wie in Dalbeattie. Er hatte sich an der auf der Seereise herrschenden Kameradschaft erfreut.
Und er fand Gefallen an dem Gedanken, sechs weitere Wochen mit Jenny zu verbringen. Sechs Wochen im Spätsommer. Nicht länger auf das Schiff beschränkt, sondern frei, das fremde neue Land zu durchstreifen. So weit Harris sah, war das Gebiet ausgedehnt genug, sich verstohlene Momente der Zweisamkeit mit ihr leisten zu können.
Er war versucht, alle Stürme und Sandbänke zu segnen, denn sie hatten ihm das Geschenk der Zeit gemacht. Zeit, Jennys Herz zu gewinnen.
“Wenn Sie keinen anderen Ort im Sinn haben”, sagte der Schiffsbauer, “kann man es schlechter treffen als hier. Es ist ein Land vieler Möglichkeiten für einen Mann wie Sie, Chisholm. Hier in der Kolonie gibt es zurzeit nur zwei Arten von Menschen. Die einen wie mich und meinen Bruder mit ein wenig Kapital und der festen Absicht, ihr Glück zu machen.”
Er deutete zu den Männern, die an den Stricken zogen, um die Bark aus dem Wasser zu bekommen. “Und dann sind da die Burschen mit breitem, kräftigem Rücken ohne viel Verstand und keinem Pfennig in der Tasche. Sie wollen nichts anderes als ein Stück Land, das ihnen gehört, und sich dort niederlassen.”
“Aye?” Harris war nicht sicher, wohin diese Unterhaltung führte.
“Was wir hier in Richibucto nicht haben, sind Männer wie Sie – mit Bildung und Geschäftserfahrung. Wenn diese Siedlung aufblühen soll, brauchen wir Prokuristen und Friedensrichter.” Er verzog das Gesicht. “Sogar Politiker.”
“Ich sehe mich selbst nicht in der Politik”, bemerkte Harris und lachte stillvergnügt vor sich hin. “Doch ein Geschäft führen – ja, das kann ich.”
“Sie brauchen nur ein Wort zu sagen, und Sie haben eine Stelle bei den Brüdern Jardine.”
“Das ist ein großzügiges Angebot, Sir.” Harris schüttelte Jardines Hand. “Ich werde darüber nachdenken und gebe Ihnen Bescheid in ein oder zwei Tagen.”
“Sie werden mich nicht mehr so großzügig finden, wenn Sie den Zustand unserer Buchführung gesehen haben”, erwiderte Robert Jardine.
Die beiden Männer lachten, und Harris schüttelte verwundert den Kopf. Offenbar gab es in diesem Land Möglichkeiten, endlos wie die Wälder, die sich hier ausbreiteten. Er sog tief die Luft ein. Sie roch nach Salzwasser und duftete nach dem Harz der Pinien und Fichten.
Harris fühlte neue Zuversicht.
Der Duft von warmer Milch stieg Jenny in die Nase, als sie die Butter im Fass rührte. Wie der scharfe Geruch von Seifenlauge und von gärendem Sauerteigbrot war das einer jener vielen Gerüche, die sie mit Knechtschaft verband. Ihre Arme schmerzten, und immer noch erfasste sie von Zeit zu Zeit Benommenheit, doch sie hatte nicht länger herumliegen und sich von anderen pflegen lassen können. Nicht, solange so viel zu tun war, und Mrs Glendenning, ohnehin schon sehr dünn, versuchte, es zu tun.
Einige schwarze Schweine schnüffelten unter einer nahen Eiche, um herabgefallene Eicheln aufzuspüren. Aus der Ferne hörte Jenny die Kinder, die fröhlich lärmend die wild wachsenden Himbeeren pflückten. Vom Haus her erklang das leise Wimmern eines Säuglings. Ein schwaches, kränkelndes Neugeborenes, von dem Jenny bezweifelte, dass es den Winter überleben würde.
Voller Sorge lief ihr ein Schauer über den Rücken. Sie fragte sich, ob sie einen Fehler gemacht hatte, indem sie in dieses wilde, fremde Land gekommen war. Unter so kargen Voraussetzungen musste das Los für eine Frau noch härter sein.
Jenny blickte sich auf dem Land der Glendennings um. Es war eine der reicheren Ländereien, da der Kapitän einen verhältnismäßig ertragreichen Handel als Schiffseigner betrieb. Trotzdem wirkte im Vergleich dazu das bescheidene
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