Die schottische Braut
Hochlandanwesen ihres Vaters feudal.
Die Behausung der Familie bestand aus schäbigen kleinen Kammern, die aus unbehauenen Stämmen gezimmert waren. Die Ritzen zwischen den Stämmen waren mit Moos verstopft, um sich vor dem Wind zu schützen. Einige windschiefe Nebengebäude wie jenes, in dem auch Jenny beherbergt wurde, dienten im Winter als Unterstand für das Vieh. Jetzt grasten die Ochsen und Milchkühe auf einem Stück Marschland am Flussufer.
Die Alltagskleidung der Glendennings schien aus grobem Segeltuch genäht, sodass ihr einfaches, nützliches Baumwollgewand regelrecht modisch wirkte. Es gab reichlich zu essen – Fisch, Wild und frisch geerntetes Gemüse. Zugekaufte Viktualien wie Mehl und Zucker wurden sorgfältig eingeteilt. Jenny vermutete, dass der Beginn des Frühlings die Hungerzeit war, wenn die eingelagerte Ernte zu Ende ging und die Schiffe von ihren Fahrten noch nicht zurückgekehrt waren.
Und was war im Winter?
Mit Schaudern dachte sie daran. Die langen, kalten, finsteren Tage ohne ein wenig Umgang mit anderen Menschen oder Zerstreuung. Rundherum der dichte, undurchdringliche Wald bedrückend nah, die Menschen schlaflos und hungrig.
“Bist du mit dem Butterfass fertig, Mädchen?” Mrs Glendenning erschien mit zwei schweren Eimern, gefüllt mit Wasser aus dem Fluss. “Die Männer wollen etwas zum Mittagsmahl.”
“Ja, ich bin fertig.” Jenny spürte die Röte, die ihr ins Gesicht stieg. Sie hatte ihre Sorgen an dem Behälter mit Milch ausgelassen, indem sie mit wildem Eifer darin gerührt hatte.
“Du kannst die entrahmte Milch den Schweinen in den Trog schütten.” Mrs Glendenning hielt einen Moment inne und atmete schwer.
“Das Baby hat geweint.” Jenny bemühte sich, das Gleichgewicht zu halten, als die Schweine sich um den Trog drängten.
Mrs Glendenning nahm die Eimer wieder auf und ging zur Kammer. “Wann hört es jemals auf?”, sagte sie mehr zu sich als zu Jenny. “Ich weiß, der Junge ist hungrig, doch er muss warten, bis das Mittagessen fertig ist.”
“Setzen Sie sich, und geben Sie ihm seine Nahrung”, forderte Jenny sie auf. “Ich kümmere mich um den Mittagstisch.”
“Das Stew ist vorbereitet und das Brot gebacken.” Mrs Glendenning betrat die fensterlose Kammer. Jenny folgte ihr. “Du kannst das Brot aufschneiden und das Gemüse kochen. Ich wünschte, die Kinder wären schon vom Beerenpflücken zurück. Angus habe ich Pudding versprochen, solange er hier ist.”
Sie ließ sich erschöpft auf einen niedrigen Stuhl sinken, der offensichtlich mit der Familie aus Schottland herübergekommen war. Obwohl es kein besonderes oder teures Stück war, hob es sich doch deutlich von dem anderen roh gezimmerten Mobiliar ab. Was bei den Maßstäben von Galloway als gewöhnlich oder gar arm galt, das erschien in dieser Siedlung von Pionieren als vornehm.
Als Jenny den wimmernden Säugling aus der Wiege hob, um ihn in die Arme der Mutter zu legen, überkamen sie plötzlich Zweifel. Was bedeutete für Roderick Wohlstand? War er reich, wie das in seinen Briefen klang, oder war er nur reich im Vergleich zu seinen Nachbarn?
Sie nahm das Geschirr für das Mittagsmahl aus einem hohen Regal und sann nach: “Lebt jeder hier in der Kolonie so wie ihr?”
Erst als Mrs Glendenning antwortete, bemerkte Jenny, dass sie laut gesprochen hatte.
“Nein, Mädchen.” Es schwang kein Bedauern in ihrer Stimme mit. “Mr Jardine hat ein großes feines Haus und viel Gesinde. Ich habe sogar sagen hören, dass es in Chatham Leute gibt mit Häusern aus Stein. Ich rede Angus immer zu, dass er uns nach und nach ein Haus aus Stein baut. Doch er sagt, es sei Unsinn mit Stein zu bauen, wenn es so viel Holz gibt.”
Als Jenny den Tisch deckte, sah sie kurz zur offenen Tür hinaus. Sie atmete tief durch. “Ja, Holz gibt es wahrhaft genug.”
Es schien alles so seltsam. Das schottische Tiefland und das Grenzland waren schon lange von jedem großen bewaldeten Landstrich beraubt. In diesem neuen Land wuchsen üppige Wälder selbst um die kleinsten Ansiedlungen, die man inmitten selbst geschaffener Lichtungen erbaut hatte. Gierig begehrte der Wald das Land zurück und trieb die eindringenden Emigranten zum Meer zurück. Wie konnte ein zartes Pflänzchen jemals hoffen, hier, an solch einem Ort, zu wachsen und zu gedeihen?
Jenny folgte dem Geruch von Fleisch und Zwiebeln, um in die Küche der Glendennings zu kommen. In dem engen Anbau nahm sie einen schweren eisernen Kessel vom Feuer und stellte
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