Die schottische Braut
strafte ihre Worte Lügen. “Wir geraten ständig aneinander. Du und ich, wir hätten niemals ein glückliches Paar abgegeben, selbst mit allem Geld dieser Welt nicht.”
“Glaube das nicht, Jenny”, erwiderte Harris völlig ernsthaft. Sonnenstrahlen drangen durch die Baumwipfel und ließen sein Haar wie Kupfer leuchten, und seine haselnussbraunen Augen strahlten jetzt voller Wärme.
Es bedurfte Jennys Willensstärke, um sich nicht sofort in seine Arme zu werfen.
“Es ist völlig natürlich, dass Mann und Frau sich zeitweise ein klein wenig zanken.” Bedächtig zupfte er einige Piniennadeln von der Hose. “Wenn es immer ruhig und ernst zugeht,
dann
ist der Funke erloschen. Wenn er überhaupt jemals da war.”
“Für einen Mann, der behauptet, nicht viel von Frauen zu verstehen, klingst du wie ein Meister auf diesem Gebiet”, erwiderte Jenny. Es lag kein Groll in ihren gegenseitigen Hakeleien – es war mehr ein fröhliches Geplänkel, das wie die Würze für die zärtlichen, warmen Gefühle ihrer Freundschaft war.
Anstatt eine kluge Antwort zu geben, errötete Harris und senkte den Blick. “Hör nicht auf das, was ich sage. Wahrscheinlich weiß ich nicht, wovon ich rede.”
Was habe ich bloß geäußert, das ihn so aus der Fassung gebracht hat?, fragte sich Jenny, und in Gedanken sann sie über ihre gemeinsame Unterhaltung nach.
“Gleichgültig …” Er räusperte sich. Offensichtlich wollte er das Thema wechseln. “Es macht keinen Sinn, dass wir herumstehen und unsere Zungen nicht im Zaum halten, wenn wir einen langen Tag vor uns haben.”
Jenny seufzte. “Ich habe es letzte Nacht gesagt, Harris, und ich habe nicht die Absicht, meine Meinung zu ändern. Ich bin auf dem Weg nach Chatham.” Sie spähte zu den Bäumen in die Richtung, aus der sie gekommen waren. “Sobald ich mein Hochzeitskleid wieder gefunden habe.”
Sie machte sich darauf gefasst, eine Lektion oder einen Widerspruch zu hören. Vielleicht würde er sie gar über die Schulter werfen und mit ihr nach Richibucto marschieren. Sie erinnerte sich daran, wie Harris sie bei dem Piratenangriff auf der
St. Bride
geschultert und unter Deck gebracht hatte. Jennys Knie zitterten erwartungsvoll.
Stattdessen erwiderte er kühl und gelassen: “Ich bin zu der Einsicht gelangt, dass es eine Torheit ist, dir auszureden, was du dir in den Kopf gesetzt hast. Wenn du nach Chatham willst, dann sollst du auch dorthin kommen. Ich begleite dich.”
“Aber …”
Das wäre beinahe genauso grauenhaft, als nach Richibucto zurückzukehren
, wollte Jenny einwenden.
Vielleicht noch schlimmer, denn wir werden allein sein.
Sie presste die Lippen zusammen aus Furcht, ihr könnten die Worte entwischen. Niemals durfte Harris erfahren, wie sehr er sie aus der Fassung brachte.
“Ja?” drängte er. Ein liebevolles, aufregendes Lächeln umspielte seinen Mund.
“Es ist …” Jenny bemühte sich, ihre Gelassenheit zurückzugewinnen. “Wenn du mit mir kommen willst, dann sollten wir besser zuerst einige Dinge klarstellen.”
Alle Anzeichen von Leichtfertigkeit schwanden aus seinem Gesicht. “Gut, dann fange ich damit an. Ich werde dich nicht deshalb begleiten, weil ich beabsichtige, unterwegs meinem Antrag Nachdruck zu verleihen. Mir liegt nur daran, dich sicher nach Chatham zu bringen. Du hast deine Wahl getroffen, als du Richibucto verlassen hast. Ich mag in vielen Dingen ein Narr sein, doch ich bin auch ein nüchterner Geschäftsmann. Ich weiß, wann es keinen Sinn mehr macht, in eine Sache zu investieren. Meine Gefühle für dich gehören der Vergangenheit an, und ich werde nie mehr davon sprechen.”
Jenny machte unwillkürlich einen Schritt zurück, als hätte er sie mit einem Eimer kaltem Wasser übergossen. Das war im Wesentlichen, was sie ihm hatte sagen wollen. Diese Worte hatte sie von Harris nicht erwartet. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
“Und”, fügte er würdevoll hinzu, “ich wäre dir dankbar, wenn du mir gegenüber eine gewisse Distanz zeigen würdest.”
“I…ich bin froh, dass du … bereit bist, so vernünftig zu sein, Harris.” Jenny schluckte, bevor sie weitersprach: “Ich freue mich über deine Gesellschaft. Es ist langweilig, solch einen langen Weg zu gehen und niemanden zu haben, mit dem man reden kann.”
“Sieh zu, dass du deine Sachen wieder findest. Dann werden wir noch schnell etwas essen, bevor wir aufbrechen. Wir müssen uns zuerst auf die Suche nach Wasser machen.”
Wenig später erspähte
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