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Die schottische Braut

Die schottische Braut

Titel: Die schottische Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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wenn sie ihrem Ziel so nahe war? Sie balancierte ihr Bündel auf dem Kopf, die Schuhe hatte sie sich zusammengebunden um den Hals gelegt. Um die Knie spürte Jenny die schnelle Strömung des Wassers.
    Sie schnappte nach Luft, als Harris sie am Arm packte.
    “Das ist keine Brücke, Jenny. Es ist ein Fischwehr. Ein indianisches Fischwehr …” Das letzte Wort ging in einem ansteigenden Entsetzensschrei unter.
    Vielleicht war Harris auf dem steinigen Flussbett ausgeglitten, oder er hatte in der Eile das Gleichgewicht verloren. Jenny drehte sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie er wild mit den Armen um sich schlug. Der Ärmel seines Rockes verfing sich in einem der hervorstehenden Pfähle des Wehrs.
    Jenny ließ das Bündel von ihrem Kopf fallen und watete zurück, um ihm zu helfen. In diesem Augenblick stürmten aus dem Wald hinter ihnen dunkelhäutige Männer hervor.
    Einer von ihnen trug eine Muskete. Zwei andere schwangen lange, spitze Speere. Mit erhobenen Waffen näherten sie sich Harris und Jenny. Dabei riefen sie Worte, die Jenny nicht verstand.
    “Komm schon, Harris!” Sie packte seinen linken Arm, und der Mut der Verzweiflung gab ihr genügend Kraft, ihm auf die Beine zu helfen.
    Doch sein Rockärmel hielt ihn an dem Wehr fest.
    “Fort, Jenny! Ich halte sie zurück, solange ich kann!”
    Jenny erstarrte.
    Die Zeit schien stehen zu bleiben.
    Ihr war, als überfluteten alle Wahrnehmungen auf einmal ihr Bewusstsein.
    Die Indianer, wie sie sich dem Fluss näherten – groß, mit nackten Oberkörpern und Haarmähnen, dunkel wie die Nacht.
    Heiser klang das Drängen in Harris’ Stimme, als er ihr zurief zu fliehen. Der Mut der Verzweiflung in seinen Augen, und die Angst – nicht um sich selbst, sondern um sie.
    Die kalte, kraftvolle Strömung des Flusses, die an ihr zerrte.
    Eine innere Stimme riet ihr, sich selbst zu retten – sich von der Strömung flussabwärts treiben zu lassen, weg von der Gefahr.
    Etwas, was sie nicht erklären konnte, stieß sie vorwärts. Sie drängte sich an Harris vorbei und stellte sich der Gefahr.

12. KAPITEL
    “Verdammt noch mal, Jenny! Verschwinde von hier!”
    Wenn sie doch bloß floh! Die Indianer konnten ihn nur töten. Was sie aber mit einem Mädchen wie Jenny tun würden, daran wagte er gar nicht zu denken.
    Ohne auf ihn zu hören, stürmte sie an ihm vorbei. Sie stellte sich zwischen ihn und die Bewaffneten. Harris renkte sich beinahe die Schulter aus, als er versuchte, von dem Pfahl loszukommen.
    Jenny ergriff einen großen Ast, der sich in dem Wehr verfangen hatte. Sie umklammerte ihn mit beiden Händen und schwang ihn gegen die Angreifer. “Kommt nur her, ihr Schurken!” schrie sie. “Ihr werdet für den Ärger bezahlen, den ihr uns bereitet!”
    Harris wartete auf das drohende Unheil.
    Dann plötzlich, wie Marionetten auf Geheiß des Puppenspielers, der an den Fäden zog, verharrten die dunkelhäutigen Männer. Einer von ihnen warf den Kopf zurück und brach in wildes Gelächter aus. Er ließ seinen bedrohlich aussehenden Speer fallen und beugte sich vornüber, bis sein Kopf beinahe die Knie seiner wildledernen Beinkleider berührte. Ein Lachkrampf schüttelte ihn.
    Die anderen stimmten in das Gelächter ein, das über den Fluss hinweg erscholl.
    “Und was, wenn ich fragen darf, ist so lustig?” wollte Jenny wissen.
    Nach Luft schnappend, rief der Mann mit der Muskete Harris in einem etwas fremdartig klingenden Französisch zu: “
Alors, Barbe-Rouge …” Rotbart, du musst ein ungewöhnlicher Mann sein, wenn du mit solch einer Bärin fertig wirst!
Erneut hob das Gelächter an.
    Jemand, der solche Scherze machte, hatte nichts Böses im Sinn. Diese Erkenntnis traf Harris mit solcher Erleichterung, dass beinahe seine Knie nachgaben.
    Nun stimmte er in das allgemeine Gelächter ein. Zuerst nur schwach, doch bald schon steckte ihn die Erheiterung der Männer an, bis ihm Tränen über das Gesicht liefen.
    Jenny drehte sich zu Harris um. Ihre Augen funkelten zornig. “Bist du verrückt geworden, Harris? Was haben diese Wilden gesagt? Worüber lacht ihr alle?”
    “Er …” Harris bemühte sich um einen ernsten Ausdruck. “Er sagte, er … bewundere Frauen mit Mut.”
    “Ja?” Sie klang misstrauisch.
    “Leg den Stock weg, Jenny. Sie werden uns nichts tun.”
    Sie sah wieder zu den Kriegern, die sich auf die Schenkel schlugen und lauthals lachten. In dem Zustand, in dem sie sich befanden, hätte sie hingehen und jeden von ihnen bewusstlos schlagen

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