Die schottische Braut
Erleichtert stellte sie fest, dass sie es fest mit der Hand umklammerte.
Dann sah sie es.
Ein dunkler, unregelmäßiger Streifen hob sich schemenhaft gegen das Abendrot am Himmel ab. Bis vor zwei Tagen noch hatte Jenny gedacht, dass sie niemals wieder einen Baum würde ansehen können. Plötzlich wurde sie von neuer Lebenskraft erfüllt, und sie ging immer schneller auf den Waldrand zu.
An den ersten Bäumen hielten sie an, um Atem zu holen und danach tiefer in den Wald einzudringen.
Plötzlich strauchelte Harris.
Sofort gab er Jennys Arm frei, und sie fand sich schwankend an einer abfallenden Böschung wieder. Sie versuchte, nach Harris zu fassen, um seinen Fall aufzuhalten, doch ihre Hand griff ins Leere. Loses Erdreich und Geröll gaben unter ihren Füßen nach. Rasch wich Jenny zurück.
Harris’ Schrei durchbrach die dumpfe Stille der Abenddämmerung und erstarb in einem lauten, deutlichen Platschen.
Jenny kletterte das Ufer hinab. “Oh Harris, wo bist du?”
Im nächsten Moment tauchte er aus dem Fluss auf und schüttelte sich.
Er ließ sich nach hinten mit einem Freudenschrei in das Wasser fallen.
Erleichtert setzte sich Jenny auf einen umgestürzten Baumstamm und flüsterte ein kurzes Dankesgebet für ihre Rettung.
“Worauf wartest du noch, Jenny?” Harris watete zu ihr. “Hast du noch nicht gesehen, dass dies Wasser ist?”
“Ja, ich habe es gesehen. Ich habe mich bloß gesetzt, um meine Schuhe auszuziehen. Deine Stiefel werden völlig durchweicht sein.”
Harris zuckte die Schultern. “Ich hatte keine Zeit, mich ihrer zu entledigen. Ich weiß auch gar nicht, ob ich mich damit aufgehalten hätte. Nach den letzten beiden Tagen weiß ich, dass einem Mann Schlimmeres passieren kann, als in nassen Schuhen zu marschieren. Doch nun möchte ich lieber den Sand zwischen meinen Zehen spüren als die nasse Wolle meiner Strümpfe.”
Rasch schwand das Tageslicht.
Jenny konnte die Umrisse von Harris sehen, wie er sich bemühte, seine Stiefel von den Füßen zu bekommen. Ein Laut der Zufriedenheit war zu hören, nachdem er es endlich geschafft hatte. Er warf sie ans Ufer, gefolgt von seinen nassen Strümpfen.
“Was hält dich noch auf, Jenny?”
“Es sind diese Haken. Ich kann sie nicht öffnen.” Oder waren ihre ungeschickten Finger daran schuld?
Harris trat zu ihr. “Erlaubt mir,
Mademoiselle
.”
Obwohl sie es zu vermeiden versuchte, blickte Jenny zu ihm auf. Groß und schlank stand er vor ihr, das Hemd klebte ihm am breiten Oberkörper, und der Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen.
Vor ihr kniend, streifte Harris ihr geschickt einen Schuh ab. Mit einer Hand hielt er den Fuß fest und mit der anderen zog er den Schuh aus. Hitze durchflutete Jenny, breitete sich in ihrem Körper aus und gelangte auch an die intimste Stelle ihres Körpers.
Jenny wusste nicht, wie sie das deuten sollte. Und das nur, weil er ihren Fuß berührt hatte? Von einem Mann, den sie zurückwies. Einem Mann, der jeden Gedanken aufgab, sie zu erobern.
Hastig entzog sie sich Harris’ Griff und meinte atemlos: “Den anderen Schuh kann ich selbst ausziehen.”
“Gut.” Seine Stimme klang seltsam, so als würde er keine Luft bekommen.
Jenny suchte nach etwas, was die gefährliche Spannung zwischen ihnen löste.
“Kann man das Wasser trinken?”
Harris setzte sich und lachte. “Ich habe ziemlich viel davon verschluckt, als ich im Fluss landete. Bis jetzt hat es mir gutgetan.”
Jenny zog den zweiten Schuh aus und hob den Rock, um die Strümpfe abzulegen. Sie wusste, dass Harris nicht viel sehen konnte, nachdem die Sonne untergegangen war, doch der Gedanke allein, das Gewand hochzuziehen und die Beine zu entblößen, ließ ihre Haut kribbeln.
“Ich würde gern etwas trinken, ich fühle mich wie ausgedörrt.”
Eine warme flüchtige Brise, die vom Fluss herkam, strich über Jennys nackte Beine. Es fühlte sich an wie eine Liebkosung. Ihr Mund wurde noch trockener als zuvor. Es bedurfte mehr als nur Wasser, um diesen tiefen, quälenden Durst zu löschen.
“Du solltest nicht gleich an dieser Stelle trinken”, riet Harris. “Ich habe das Flussbett zu sehr aufgewühlt. Lauf ein wenig flussaufwärts.”
Ihre Beine zitterten, als Jenny am Ufer entlangging. Plötzlich entdeckte sie eine eiskalte Quelle, die sich in den Fluss ergoss.
Sie trank so viel von dem klaren Wasser, bis ihr Durst gestillt war. Dann benetzte Jenny sich das Gesicht und den Rest des Körpers unter der Kleidung mit dem klaren Wasser und
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