Die schottische Braut
rückte seine Brille zurecht. “Doch Sie werden einen zweiten Zeugen brauchen.”
“Ich werde Zeugnis ablegen”, ertönte eine heisere Stimme aus dem Hintergrund.
“Morag!” Harris lächelte dankbar. “Was tust du hier? Das ist gefährlich für dich.”
“Ich hatte das Gefühl, gebraucht zu werden.” Sie schritt den Gang entlang und nahm ihren Platz neben Jenny ein. “Das war ein großer Auftritt, Harris. Ich hätte fünf Pfund gegeben, um das Gesicht von Douglas zu sehen, als du durch die Tür kamst.”
Harris hätte alles dafür gegeben, um die Drohung zu
vergessen
, die er in Rodericks Augen gelesen hatte. Er musste sich rechtmäßig mit Jenny vermählen, damit sie diesem Mann nicht wieder ausgeliefert war.
Rasch sah er zu seiner Braut, die ihn zuversichtlich anlächelte. “Wir haben unsere Zeugen, Vikar. Lassen Sie uns beginnen.”
Der Geistliche seufzte so schwer, dass seine kleine Gestalt erbebte. “Geliebtes Brautpaar, wir haben uns hier im Angesicht Gottes versammelt, um
diesem
Mann und dieser Frau die heiligen Sakramente der Ehe …”
Als der Teil kam, wo über Ehebruch und Nachkommenschaft gesprochen wurde, errötete Harris. Es war nicht genug, dass die Urkunde unterzeichnet und das Heiratsgelöbnis gesprochen wurde. Um Jennys Schutz vor Roderick Douglas zu gewährleisten, mussten sie ihren Ehebund so schnell wie möglich vollziehen. Ein Teil in ihm war über diese Aussicht erfreut, doch ein anderer machte ihm Angst. Konnte er, der so bedauerlich wenig Erfahrung mit Frauen hatte, seine geliebte Jenny glücklich machen?
Als sie die Gelübde wiederholten, zitterte Jennys Stimme unsicher. Harris bemühte sich, seinen Worten überzeugenden Nachdruck zu verleihen. Doch tief in seinem Herzen quälten ihn Zweifel. Hatte Jenny ihn geheiratet, weil er sie dazu gezwungen hatte und eine Ehe mit ihm der Ausweg war, Roderick Douglas zu entkommen? War das die richtige Basis für eine derartige Verbindung? Er hatte Jenny gesagt, sie mit Roderick Douglas vermählt zu sehen, wäre schlimmer als die Möglichkeit, dass sie ihn verlassen könnte. Nun war er sich nicht mehr so sicher.
Die Hochzeitsstimmung hob sich, als es Zeit wurde, das Register zu unterzeichnen. Jenny war so stolz, ihren Namen schreiben zu können. Harris’ Kehle war wie zugeschnürt, als er sie beobachtete. Vielleicht konnte er sie nicht mit Diamanten behängen und in Seide hüllen, doch er hatte ihr das wertvollste Geschenk gemacht, das es gab: Bildung.
“Wohin werden wir nun gehen?”, fragte Jenny, als die kleine Hochzeitsgesellschaft die Kirche verließ.
“Zurück auf die
St. Bride”
, erwiderte Harris. “Morgen legt sie ab nach Jamaika. Dort kann ich Arbeit finden, vielleicht auf einem der großen Grundbesitze. Robert Jardine hat mir Empfehlungsschreiben für einige Leute in Kingston mitgegeben.”
Harris versuchte, begeistert zu klingen. In der Tat waren die Westindischen Inseln seit Langem beständig und boten ein angenehmeres Leben als diese raue, noch unzivilisierte Kolonie. Doch Harris mochte New Brunswick. Die Landschaft hatte so viel gemeinsam mit seiner alten Heimat Galloway. Das jungfräuliche Gebiet bot einem Mann mit Begabung und Pioniergeist viele Gelegenheiten.
Kapitän Glendenning räusperte sich. “Nicht so schnell, mein Freund. Die Mannschaft hat gesammelt und wird euch ein Quartier in der Herberge für heute Nacht bezahlen. Eine Schiffskoje ist nicht der rechte Ort für eine Braut in ihrer Hochzeitsnacht”, fügte der Eigner der
St. Bride
schroff hinzu. “Betrachten Sie es als Hochzeitsgeschenk.”
Jenny errötete. “Das ist sehr … aufmerksam, Kapitän. Bloß …” Sie blickte von Harris zu Morag und zurück. “Es ist nicht weise, länger als nötig in Chatham zu verweilen.”
“Sie hat recht”, gab Harris nur ungern zu. Sosehr er sich danach sehnte, die schwere Prüfung der Hochzeitsnacht in der Stille und Abgeschiedenheit des Gasthofes auf sich zu nehmen, hatte er mehr Gründe als die anderen, Roderick Douglas’ Vergeltung zu fürchten.
“Macht euch deshalb keine Sorgen.” Kapitän Glendenning deutete zum Friedhofstor, wo zwei seiner Seeleute auftauchten. “Der junge Thomas und der Bootsmann werden vor der Tür Wache halten, sodass niemand stört.”
Während Harris nach Dankesworten suchte, stellte sich Jenny auf die Zehenspitzen und gab dem Kapitän einen Kuss auf die raue Wange. Er lächelte selbstbewusst.
“Sie haben auch keine Wahl. Wer weiß, was die Mannschaft für eine
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