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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Dämonenbeschwörer, war noch immer Gilles de Rais, Marschall von Frankreich, Held, Baron und Ritter. Seine bleiche Abwesenheit machte es leichter, ihn als abscheuliches Ungeheuer zu betrachten, als es in seiner prächtigen Gegenwart gewesen wäre.
    »Aus diesen Zeugenaussagen werden noch mehr Anklagepunkte erwachsen«, sagte Jean de Malestroit. »Wenn er sich weigert zu erscheinen, dann werden wir ihn wohl mit Gewalt vor das Gericht zerren müssen. Aber ich vermute, er wird sich zeigen, bevor Zwang nötig wird.« Er legte seine Hand sanft auf meine. »Seid Ihr darauf vorbereitet?«
    Gilles de Rais würde nicht einfach nur bescheiden vor Gericht erscheinen, um still dazusitzen, während ihm ernsteste Anschuldigungen entgegengeschleudert würden – er würde seinem kriegerischen Wesen treu bleiben und einen majestätischen Kampf an den Tag legen.
    Ich sagte: »Ich glaube, die angemessenere Sorge dürfte die um Milords Vorbereitungen sein. Was mich angeht, so bin ich so bereit, wie ich es je sein werde.«
    Das entsprach nicht ganz der Wahrheit – es waren in der Tat noch einige Vorbereitungen meinerseits nötig, doch die hatten nichts mit Milords Erscheinen vor Gericht zu tun. Und in dieser Angelegenheit trat ich nun behutsam an Jean de Malestroit heran. »Perrine Rondeaus Enthüllungen waren fesselnd, nicht wahr?«
    Er war abgelenkt. »Insofern, als sie sich unterschieden von dem, was die anderen Zeugen zu sagen hatten, ja. Das ist richtig.«
    »Sie war wagemutig, diese Vorgänge zu beobachten.«
    »Äußerst wagemutig.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich selbst in eine solche Lage bringen würde, gleichgültig, was damit zu gewinnen wäre. Aber mir stellt sich die Frage«, sagte ich vorsichtig, »ob irgendjemand weiß, was aus den Dingen wurde, die Prelati und andere aus Cahus Haus trugen, außer der Asche, die Perrine Rondeau beschrieb.«
    Er sah mich verwundert an. »Warum ist das für Euch von Bedeutung?«
    »Ich würde sie gerne untersuchen.«
    »Gott im Himmel, warum denn?«
    »Weil ich glaube, dass man daraus Erkenntnisse ziehen könnte.«
    »Welche neuen Erkenntnisse soll man aus diesen Dingen denn noch ziehen können? Sie sind das Werk des Teufels und deshalb mit Geringschätzung zu behandeln.«
    »Das Werk des Teufels enthüllt den Teufel«, entgegnete ich.
    Sein Stirnrunzeln wurde von offener Missbilligung begleitet.
    »Das ist doch abscheuliches Zeug – blutig und übel riechend, und es dürfte sich kaum schicken, dass eine Frau sie untersucht, vor allem eine Frau Eures Standes nicht. Was soll denn diese plötzliche morbide Faszination?«
    Es war eine wohlgesetzte Zurückweisung, in höflicher Berücksichtigung meiner angeblichen Empfindsamkeit, die er meinem »Stand« zuschrieb, doch diesen Stand konnte ich inzwischen selbst kaum mehr beschreiben. »Ich dachte einfach – das heißt, ich habe mich gefragt, ob man durch die Untersuchung der mit diesen Verbrechen in Verbindung stehenden Gegenstände nicht etwas erfahren könnte, das ist alles.«
    »Und welchen Zwecken soll dieses Wissen dienen?«
    Zwecken, über die ich im Augenblick noch nicht sprechen kann.
    »Als Beweis selbstverständlich«, sagte ich. »Beweise für die Verbrechen, die Milord vorgeworfen werden.«
    »Beweise sind nicht nötig.«
    Diese Erwiderung hatte ich nicht erwartet. »Aber … wie kann er denn ohne Beweise verurteilt werden?«
    »Er wird gestehen.«
    Mein erster Gedanke war: nie. »Gilles de Rais wird nicht gestehen«, sagte ich. »Sein Stolz wird ihm das nicht erlauben.«
    »Er wird, das versichere ich Euch. Er wird sich vor Gott für seine Verbrechen verantworten, und er wird es aus freiem Willen tun. Auch wenn wir ihn zuvor foltern müssen. Und wenn es erforderlich ist, wird dies auch geschehen.«
    »Dennoch«, sagte ich, beinahe flehend. »Ich möchte die Beweise gern mit eigenen Augen sehen. Ich … ich muss sie sehen, um des Friedens meines Herzens willen.« Ich legte die Hände vors Gesicht und begann still zu weinen, doch schon am nächsten Morgen würde ich diese großartige Vorführung bedauern und eifrig büßen, denn mein Bischof ist ein guter Mensch, der diese üble Art von Täuschung nicht verdient hat. Schwester Claires prophetische Worte über die Berechenbarkeit von Männern, auch der mächtigen, klang mir in den Ohren. Nur die Härtesten der Harten, wie etwa der ungeheuerliche Jean de Craon, konnten sich dem Einfluss der von Herzen kommenden Tränen einer Frau entziehen. Und um die Wahrheit zu

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