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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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sie die Hände frei hatte, faltete sie sie und murmelte ein Gebet. Sie bekreuzigte sich und nahm das Rühren wieder auf, als hätte sie es nie unterbrochen.
    »Und was mit ihr in der Kapelle passiert ist … und mit Euch selbst …«
    Ich versteckte meine verbundene Hand im Ärmel. »Es wird schon nichts bleiben. Und Madame le Barbier ist eine unverwüstliche Frau. Ich bin sicher, sie wird gänzlich von dem genesen, was die Krähe …«
    Sie schnitt mir das Wort ab. »Mutter, verzeiht mir meine Ungehörigkeit, denn ich will nicht respektlos sein«, sagte Perrine Rondeau, »aber das war keine Krähe. Das war der Dämon selbst, in Krähengestalt ausgeschickt von Gilles de Rais, um sie für ihre harten Worte gegen ihn zu bestrafen.«
    Was für eine Macht doch Hexerei auf alle Kinder Gottes hatte.
    »Wenn das so ist, dann sind wir alle dem Untergang geweiht, denn in letzter Zeit wurden nur wenige freundliche Worte gesprochen.«
    Wieder klopfte sie ab, betete und bekreuzigte sich. »Gott wird uns behüten«, sagte sie und hob den Löffel zur Betonung des Gesagten. Ein Breiklumpen löste sich und fiel in den Kessel. »Nun, das ist zwar kein königliches Mahl, aber es wird viele Bäuche füllen. Wollt Ihr mit uns essen, Mutter? Es ist genügend da.«
    »Ihr seid zu freundlich, Madame; ich habe mein Fasten bereits gebrochen. Aber wenn Ihr die Zeit erübrigen könnt, würde ich Euch gerne nach etwas fragen, nach etwas, das Ihr gestern erwähntet – das Hemd. Ihr sagtet, Ihr hättet gesehen, dass Prelati es etwa zu der Zeit von Milords Verhaftung aus Cahus Haus schaffte.«
    Sie schaute in den Kessel und runzelte die Stirn. »Der Anblick war unbeschreiblich, der Gestank unerträglich. Die ganze Vorderseite war mit Blut und Schmutz getränkt. Der Gestank drang ja sogar durch die Blätter und Äste bis zu mir – nur meine Angst vor Entdeckung bewahrte mich vor dem Erbrechen.«
    Sie deutete mit einer Drehung ihres Kopfes zu einem Mann, der in der Nähe auf der Erde schlief. »Die Entfernung war nicht mehr als zwischen ihm und mir. Wahrscheinlich weniger.«
    Zwei bis drei Schritte im Höchstfall. »Ihr konntet das Hemd also sehr gut sehen.«
    »Ja. Monsieur Prelati hielt es auf Armeslänge von sich, und zwar mit beiden Händen, um es möglichst weit weg von seinem Körper zu halten. Es war fast unter meiner Nase.«
    »Ihr spracht von einem Riss in der Mitte …«
    »Das war kein Riss, sondern ein glatter Schnitt – wahrscheinlich von einem Messer aufgeschlitzt«, sagte sie und beantwortete damit eine Frage, die ich noch gar nicht ausgesprochen hatte.
    Die morbide Faszination, von der Jean de Malestroit gesprochen hatte, überkam mich nun, und ich fühlte mich plötzlich sehr unheilig. »Falls Ihr Euch erinnert, Madame, wo auf dem Hemd war dieser Schnitt?«
    »Vom Saum fast bis zum Hals. Auf beiden Seiten des Schlitzes war der Stoff von dunklem Blut getränkt, und zwar so sehr, dass die Stoffränder nicht ausfaserten. Aber mir fiel auch auf, dass der untere Teil des Schnitts gezackt war.«
    Ich sah deutlich vor mir, was sie beschrieb, und stellte mir vor, wie das Messer in das weiche Fleisch eines Kinderbauches eindrang. Augenblicklich befiel mich eine kaum zu ertragende Schwäche. Ich legte Madame Rondeau eine Hand auf die Schulter, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und sie sah mich besorgt an. »Es ist nur eine leichte Benommenheit«, beruhigte ich sie. »Das geht vorüber.«
    Bevor das geschah, waren einige andere grausige Bilder vor meinem inneren Auge vorbeigezogen. Mit einem tiefen Atemzug schöpfte ich neue Kraft. »Das scheint nur den einen Schluss zuzulassen, dass das Messer das Hemd und das Kind gleichzeitig aufschlitzte.«
    » Oui, Mère. Das Kind, das dieses Hemd trug, wurde geschlachtet wie ein Lamm.«
    Ein gezackter, aber nicht ausgefaserter Schnitt unten am Saum.
    »Madame«, fragte ich »in welcher Richtung schien der Blutfleck sich auszubreiten?«
    Einige Augenblicke lang starrte sie in den Brei und rührte ihn rhythmisch, während ihr Blick ziellos hin und her wanderte. Wieder legte sie den Löffel auf den Kesselrand, bevor sie antwortete.
    »Oben am Halsausschnitt war eine große Menge Blut. Es musste sich also nach oben ausgebreitet haben.« Sie warf mir einen besorgten Blick zu. »Aber wie kann das sein?«
    Das Kind war an den Füßen aufgehängt worden.
    Ich spürte, wie mir mein zuvor gegessener Haferbrei in die Kehle hochstieg. Als die Übelkeit sich wieder gelegt hatte, fragte ich sie: »Was meinen

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