Die Schreckenskammer
ihm das Schriftstück überreicht wurde, waren so ernst, wie Worte es nur sein konnten.
»Gilles de Rais, kraft der mir von seiner Heiligkeit Papst Eugène verliehenen Macht, schließe ich Euch hiermit aus der katholischen Kirche aus.«
»Ich erhebe Einspruch! Eine Feder, ein Pergament, ich will meinen Einspruch niederschreiben.«
Sie hatten es vorausgesehen. Jean de Malestroit nickte einem Schreiber zu, der aufstand und von einem Pergament vorlas, das offensichtlich schon vorher verfasst worden war. »Dieser Einspruch wird unverzüglich zurückgewiesen aufgrund der Natur dieses Falles und den Fällen dieser Art, und auch unter Berücksichtigung der Schwere und Ungeheuerlichkeit der Verbrechen, die Euch zur Last gelegt werden.«
Ein Stöhnen stieg aus der Stille, dann Schluchzer der Verzweiflung, Rufe um Gnade, Bitten an Gott um Erlösung und Dankgebete, alles gleichzeitig. Eine Unruhe entstand, wie wir sie in diesem Prozess noch nicht erlebt hatten. De Pencoëtdic stand auf und schrie über die Menge hinweg mit lauter Stimme: » Wir werden fortfahren. «
»Das werden wir nicht!«, entgegnete Milord.
»O doch, Herr, das werden wir.«
Wieder wurde ein Beweis der Zuständigkeit verlesen, während Gilles schäumte vor Wut und Empörung.
»Da nach dem Apostel das Übel der Ketzerei wuchert wie ein Krebs und tückisch alle reinen Seelen vernichtet, wenn sie nicht rechtzeitig ausgemerzt wird durch die gewissenhafte Arbeit der Inquisition, ist es angemessen und geziemend, dass mit all der Macht und Würde der Inquisition zum Vorteil aller gegen Ketzer und deren Verteidiger vorgegangen wird, wie auch gegen jene, die der Ketzerei verdächtigt oder beschuldigt werden und gegen Behinderer und Störer des Glaubens …«
Milord schlug um sich wie eine gefangene Schlange. Mit unerwarteter Kraft befreite er sich von seinen Wachen und stürzte zum Richtertisch. Mein Herz schlug mir bis zum Hals; dies war ein Krieger, entschlossen, einen Bischof anzugreifen, der weder die Fähigkeiten noch die Mittel hatte, sich zu verteidigen. Mit bloßen Händen konnte Gilles de Rais Jean de Malestroit die Kehle herausreißen. Die beiden Wachen setzten ihm nach, bekamen ihn aber beim ersten Versuch nicht zu fassen. Von irgendwo aus den Falten seines Gewandes zog er einen Dolch und hob ihn hoch in die Luft, wie um zuzustechen. Er bewegte sich bereits wieder nach unten, als die Wachen ihm in den Arm fielen.
Mir wurde übel, und ich fuhr mir mit der Hand an den Mund. Doch während die Wachen nur eine Armeslänge entfernt mit seinem Angreifer kämpften, saß Jean de Malestroit bewegungslos und gefasst da. Seine Augen brannten s ich in die Milord Gilles’ und sandten die stumme Botschaft aus: »Kämpft, so viel Ihr wollt, wir werden Euch dennoch zu Fall bringen. So groß ist meine Macht über Euch.«
Ich sah beschämt und angewidert zu, wie die Wachen Milord wegführten. Auf den Knien schleiften sie ihn davon, eine Position, die er sonst nur einnahm, um die Absolution zu empfangen. Doch in diesem Augenblick war er von der Absolution so weit entfernt wie noch nie in seinem Leben, bedurfte ihrer aber mehr denn je.
30
Sechs Tage – kein Wilbur. Wir hatten Überwachungsteams vor seinem Haus und dem Studio, seinen beiden Hauptaufenthaltsorten, aber keiner hatte ihn gesehen. Angestellte kamen und gingen und wurden überwacht, allerdings nur so weit, dass wir jederzeit damit durchkommen würden. Die Festnetztelefone in beiden Häusern ließen wir abhören, aber insgesamt benutzte Angel Productions zwölf Handys, und niemand konnte sagen, welches Durand hatte.
Wir sprachen sogar darüber, richterliche Abhörbefehle für jeden Apparat zu beantragen, so verzweifelt waren wir. Fred brachte uns auf den Boden der Tatsachen zurück.
»Er ist wahrscheinlich als Nutte verkleidet zu einem dieser fliegenden Händler gegangen und hat sich eine Prepaid-Karte gekauft.«
Es machte einen schier wahnsinnig, wie er sein Aussehen verändern konnte. Es gab keine Garantie, dass er das überhaupt tat – er war der absolute Niemand auf Tauchstation. Aber die Möglichkeit, dass er sich in jemand anderen verwandelte, überlagerte alles, was wir taten, um ihn zu finden.
Beschreibung des Verdächtigen: einsdreiundsiebzig bis einsfünfundsiebzig groß, mittlere bis schlanke Statur. Mitte dreißig bis Anfang vierzig. Weiß. Männlich oder weiblich.
Nur zwanzig bis dreißig Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten entsprachen dieser Beschreibung.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher