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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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wurde aber von zwei Wachen aufgehalten. Er wehrte sich gegen sie, und einen Augenblick lang sah es so aus, als könnte er sich losreißen. Im Saal brach Chaos aus. Jean de Malestroit war aufgesprungen und schrie gegen den Lärm an, während Gilles de Rais zurückgeschleift und vor ihn hingestellt wurde.
    »Vielleicht versteht Ihr diese Vorwürfe gegen Euch nicht vollständig, Milord.« Er wandte sich an einen der Schreiber. »Wiederholt die Anklage auf Französisch«, rief er, »damit der Baron de Rais sie verstehe, denn er scheint den Ernst seiner Lage nicht zu begreifen, wenn sie ihm auf Latein erklärt wird.«
    Er fuchtelte in ohnmächtiger Wut mit den Armen. » Je comprends le Latin! «
    Der arme kleine Schreiber stand sogleich auf und begann eine unbeholfene Stegreifübersetzung. Milord fing an zu zittern, und wir hörten ihn schreien: »Ich bin kein Idiot. Ich verstehe Latein so gut wie irgendeiner.«
    Der verängstigte Schreiber hielt inne und schaute meinen Bischof an, der ihn mit finsterem Blick zur Fortsetzung aufforderte.
    Gilles de Rais beruhigte sich schließlich und starrte Seine Eminenz nur böse an, während hastig die französischen Worte gesprochen wurden. Es war derselbe Ausdruck, den ich auf seinem Gesicht gesehen hatte, als er die Volljährigkeit erreichte und Jean de Craons Tyrannei abwarf: reine, kalte Verachtung. Seine Stimme erhob sich wieder über die furchtsamen Worte des Schreibers. »Ich werde nichts tun, was Ihr als Bischof von Nantes von mir verlangt«, zischte er. Er wehrte sich gegen den Griff seiner Wachen und schaute von einem zum anderen, als wollte er sie mit seiner Wut einschüchtern. Keiner der beiden hielt seinem Blick stand. Eine dritte Wache wurde zu Hilfe gerufen, und zu dritt konnten sie Milord überwältigen.
    Eine schreckliche, dumpfe Schwere legte sich über uns alle, als Gilles de Rais einen erbärmlichen Versuch machte, seine Würde wiederzuerlangen. Er ordnete seine Gewänder und strich sich die Haare glatt und schaute sich dann im Saal um. Doch bei den Beobachtern fand er keine Unterstützung.
    Nun legte sich eine Ruhe über ihn, wie sie immer kurz vor einem Sturm eintritt.
    Ich konnte Jean de Malestroits unausgesprochenes Stoßgebet beinahe hören: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber … Dennoch fuhr er fort und fragte den Gefangenen aufs Neue, ob er auf die einzelnen Punkte der langen Anklageschrift eingehen wolle.
    Und so ging es weiter. Als Jean de Malestroit zum letzten Mal Unterwerfung forderte, kam Gilles de Rais’ ermattete Weigerung so gedämpft und leise, dass wir sie kaum noch verstehen konnten.
    Und dann verblüffte Seine Eminenz uns alle.
    »Bei allen Heiligen, Gilles de Rais, Ihr zwingt uns mit dieser ketzerischen Weigerung, Euch vom heiligen katholischen Glauben zu exkommunizieren.«
    Nun kehrte der alte Gilles mit rachsüchtiger Wut zurück. Er sprang auf und schrie Seiner Eminenz Verwünschungen entgegen, die ich nicht wiederholen kann, ohne mein Seelenheil zu verlieren. Dann rief er: »Wenn ich die Verbrechen begangen hätte, die mir in dieser Schrift vorgeworfen werden, dann wäre ich des Glaubens abtrünnig. An diesem Zustand leide ich jedoch keineswegs.«
    »Nun, das mag sein, Milord«, sagte Jean de Malestroit, »doch scheint Ihr am Zustand der Unverschämtheit und des Wahnsinns zu leiden. Ihr täuscht Unwissenheit vor, doch Eure Leugnungen sind nicht zu glauben.«
    »Ich würde in einer so ernsten Sache wie dieser doch nie zu Verstellung greifen!« Seine Worte waren eher ein Flehen als eine Erklärung. »Und ich bin entsetzt«, fuhr er fort, »dass Monsieur l’Hôpital die wenigen Kenntnisse, die er über die Ereignisse hat, von denen Ihr sprecht, an das kirchliche Gericht weitergibt und er darüber hinaus zulässt, dass ich in Herzog Jeans Namen dieser Verbrechen überhaupt angeklagt werde.«
    Es war alles Unsinn. De Pencoëtdic stand von seinem reich verzierten Sessel auf und wandte sich an die Richter. »In Herzog Jeans Namen«, sagte er, »verlange ich, dass dieser Mann der vorsätzlichen Missachtung des Gerichts für schuldig befunden werde, weil er sich, trotz unserer kanonischen Ermahnungen, weigert, auf die ihm vorgelegten Anklagen zu antworten.«
    Auf diese Aufforderung hin schauten die Richter sich in stillem Einverständnis an. Jean de Malestroit nahm seine Feder und ein frisches Pergament zur Hand und schrieb darauf, schnell, aber mit großer Sorgfalt, denn die Worte, die der Ankläger vorlas, als

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