Die Schreckenskammer
klingelte; die Anruferkennung zeigte die Vorwahl von Boston.
»Wie ich höre, ist an der westlichen Front alles still«, begrüßte mich Pete Moskal.
»Zu still«, sagte ich. »Mir wäre es lieber, wenn der Kerl sich endlich zeigen würde. Aber er ist das reinste Chamäleon. Wenn er sich zeigt, dann sicher nicht als er selbst.«
»Blöd. Vielleicht können Sie ihn ja ungestraft erschießen, wenn er plötzlich als grünes, schuppiges Ding auftaucht. Aber hören Sie, ich habe was Interessantes gehört. Es geht das Gerücht, dass seine Schwester still und heimlich die meisten ihrer Fälle an ihre Angestellten abgibt.«
»Haben Sie jemanden in der Kanzlei, der mit Ihnen redet?«
»Ja.«
»Gut zu wissen, womit wir es zu tun bekommen.« Aus irgendeinem Grund, den ich selbst nicht kannte, wollte ich heute nicht mit ihm reden. »Vielen Dank …«
»Es kommt noch mehr.«
Es ging nicht um Klatsch, das hörte ich am Klang seiner Stimme.
»Ich wollte Ihnen sagen, dass ich einen Haftbefehl beantragen werde.«
Früher oder später musste das passieren. »Ich kann’s Ihnen nicht verdenken. Sie waren bis jetzt sehr geduldig, Kollege. Dafür bin ich Ihnen dankbar. Viel Glück. Ich hoffe, Sie haben einen anständigen Richter, an den Sie sich wenden können.«
»Ein Juwel.«
»Hören Sie, tun Sie mir nur noch einen Gefallen. Halten Sie mich so weit wie möglich aus der Sache raus.«
»Ihren Namen werde ich in den Bericht schon hineinschreiben müssen. Die meisten Informationen kommen ja von Ihnen.«
»Können Sie nicht schreiben, dass ein nicht genannter Polizeibeamter aus Los Angeles Ihnen die Informationen gegeben hat?«
»Sie meinen eine Art anonymer Informant? Ich schätze, das könnte ich schon, aber der Fall steht so bereits auf relativ schwachen Beinen. Sich auf den Namen eines Beamten beziehen zu können stärkt ihn. Beträchtlich.«
Wenn er sich Durand vor mir schnappte, dann nur, weil ich ihm die Tür geöffnete hatte. Die Ironie ärgerte mich.
»Kann ich Sie irgendwie dazu überreden, noch ein paar Tage zu warten?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Sie können uns nicht noch ein oder zwei Tage geben, damit wir ihn hier aufspüren können?«
»Ich verliere Zeit, wenn ich das tue. Ich kann meine Männer hier nach ihm suchen lassen.«
»Er ist doch gar nicht in Ihrer Gegend.«
»Woher wissen Sie das?«
Es gab keine logische Erklärung dafür, nur meine Instinkte.
»Weil die Luft hier bei uns noch immer stinkt.«
Schließlich konnte ich ihn dazu überreden, noch »ein paar Tage« zu warten, damit ich Durand richtig ins Visier nehmen konnte. Die Belohnung wuchs, da immer mehr Familien von vermissten Jungs sich an der öffentlichen Jagd beteiligten. Natürlich wurden auch die Anrufe wieder mehr. Das Aussortieren falscher Spuren wurde zu einem Sport in unserer Abteilung; wer konnte pro Tag die meisten Spinner eliminieren? Typischerweise waren es Escobar oder Spence, denn beide waren hervorragende Vernehmer, die einer Sache sehr schnell auf den Grund kamen. Wir verstärkten unsere Kontrollen auf den Flughäfen und in den Hotels wieder, weil keiner von uns wusste, was er sonst tun sollte, und weil die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen nach den Terroranschlägen dies einfacher machten. Es bestand jedoch wenig Hoffnung, Durand auf diese Weise ausfindig zu machen; er konnte sich problemlos unter falschem Namen ein Haus mieten, problemlos einen Privatjet leasen und so die normalen Flughafenkontrollen umgehen. In seinem Studio oder in seinem Haus hatte er sich nicht gezeigt, seine Angestellten kamen und gingen allerdings, wie sie wollten. Wir hatten keinen rechtlichen Grund, auch nur einen von ihnen zu verhaften, was mich allerdings nicht davon abhielt, mit den Füßen zu scharren, weil ich sie liebend gern alle aufs Revier geschleift und ihnen eine Kostprobe unserer Verhörmethoden gegeben hätte. Sie alle hatten enge Verbindungen zu ihm, waren vielleicht sogar Komplizen – es war durchaus anzunehmen, dass einer oder mehrere auf einer gewissen Ebene in seine Aktivitäten verwickelt waren, aber wir hatten keinen direkten Beweis für Mittäterschaft. Wir konnten nur darauf warten, dass er wieder auftauchte.
Der Anruf kam, als ich eben nach Hause gehen wollte. Ich hatte meinen Schreibtisch schon aufgeräumt und meine Aktentasche gepackt. Die Autoschlüssel lagen bereits in meiner Hand, als Pandoras Büchse auf meinem Schreibtisch wieder aufsprang.
Das Klingeln klang nach Nicht abheben, ein schrill kreischendes,
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