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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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betrachtete, den ich am Montag Fred übergeben würde. Einer der offenen Fälle, ein tätlicher Angriff, würde es wahrscheinlich nie bis vor Gericht schaffen – es gab glaubwürdige Augenzeugen und solide materielle Beweise, und wenn der Täter nur einen Funken Verstand hatte, würde er sich eines geringeren Verbrechens schuldig bekennen und uns allen die Mühe ersparen, ihn festnageln zu müssen. So oder so würde er viel zu früh wieder auf freiem Fuß sein und es wieder tun, sobald er die Möglichkeit dazu bekam. Manchmal frage ich mich, warum ich mir die Mühe mache, hier überhaupt aufzutauchen.
    Wem will ich hier was vormachen? Der Grund – oder die Gründe, wenn Sie es präziser haben wollen – liegt bzw. liegen hier vor mir auf dem Schreibtisch: Nathan Leeds, Larry Wilder und Jared McKenzie, und die zehn anderen, die so aussehen wie sie. Die Heiterkeit, die ich noch Minuten zuvor empfunden hatte, verschwand, und das düstere Gefühl böser Vorahnungen nahm ihren Platz ein.
    Natürlich waren diese dreizehn Fälle, individuell und juristisch gesehen, voneinander unabhängig, aber ich wusste in meinem Herzen, dass sie miteinander zu tun hatten, auch wenn Fred das verdrängte. Leicht schief in diesem Aktenstapel steckte dieser wunderbare kleine Quertreiber, der Garamond-Fall. Ein zerfleddertes Eck lugte vorwurfsvoll heraus. Ich schob es zurück und richtete alle Kanten gerade.
    Würde ich den Schlüsselhinweis erkennen, wenn ich in diesem Durcheinander über ihn stolperte? Bleiben Sie unvoreingenommen, hatte Erkinnen mir gesagt; ein guter Rat, den man aber viel leichter geben als befolgen konnte.
    Die Postfächer der Abteilung befanden sich günstigerweise direkt vor dem Umkleideraum. Ein paar vollständige Fallakten warteten dort bereits auf mich; in den Händen der Jungs, die sie abgegeben hatten, mussten sie sich angefühlt haben wie heiße Kohlen. Die Arme voller Detektivkram, stand ich einen Augenblick da und dachte an die schlechte alte Zeit, als mein Job, wie erniedrigend er auch gewesen sein mochte, am Ende meiner Schicht auf der Straße so ziemlich beendet war. Ich drückte die Schwingtür mit dem Hintern auf und betrat den Umkleideraum. Die Bänke waren seit meinem letzten Besuch ersetzt worden, die neuen hatten eine gekörnte, rutschfeste Oberfläche und waren ein gutes Stück breiter. Hatten weibliche Polizisten breitere Hintern bekommen, und brauchten sie Reibung auf ihren Bänken? Nicht wie zu meiner Zeit auf Streife, da mussten wir ganz bestimmte körperliche Anforderungen schlichtweg erfüllen.
    In dem Raum war niemand – es dauerte noch Stunden bis zum Schichtwechsel, dann allerdings würde er sich füllen mit Zurückkehrenden und Aufbrechenden. Als ich noch auf der Straße war, wurde hier drin immer heftig gequatscht – wir prahlten mit unseren Kindern, jammerten über unsere Freunde oder Ehemänner, jubelten über ein Schnäppchen. Von einem der neuen Mädchen – der Tochter eines der Jungs, der bereits Polizist war, als ich anfing – hatte ich gehört, dass es jetzt viel Tratsch gebe, und einiges davon ziemlich fies. Die Dinge haben die schlechte Angewohnheit, sich zu ändern.
    Etwas hatte sich allerdings nicht geändert – die Stille zwischen den Schichtwechseln. Keine Telefone – wenn jemand mich erreichen wollte, musste er mich anpiepsen. Ich setzte mich auf eine der Bänke, stellte den Umschlagstapel neben mich und dachte mir, ich schaue mir ein paar davon hier an, bevor ich wieder hoch in meinen Verschlag gehe.
     
    Es dauerte fast vier Stunden, bis ich wieder nach oben kam.
    Sooft ich einen neuen Umschlag öffnete, war es, als würde ich dasselbe Drehbuch noch einmal lesen. Ein kleiner weißer Junge war plötzlich und ohne Erklärung verschwunden. Dieser Junge war unweigerlich von zierlicher Statur und hatte blonde oder hellbraune Haare, ein nettes Gesicht und sehr helle Haut. Augenzeugen berichteten, ihn unmittelbar vor der Entführung in der Gesellschaft eines Vertrauten gesehen zu haben, aber der Vertraute (bis auf den geschätzten Mr. Garamond) schien immer ein unwiderlegbares Alibi zu haben. Ich war bereit, meine Pension zu verwetten, dass sich dasselbe Muster auch zeigen würde, wenn der Rest der Akten eintraf.
    Inzwischen verstand ich Docs Interesse sehr viel besser. Man möchte immer Empörung empfinden über diese Scheußlichkeiten, aber wenn sich allmählich ein Bild herausschält, wie es eben jetzt passierte, dann schleicht sich bald eine mit einem schlechten

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