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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Bischof selbst es übernähme, mit ihr zu reden, denn sie war schüchtern in Gegenwart Erwachsener, das behauptete zumindest ihre Mutter. Ich fragte mich, wie sie dann den Mut aufgebracht hatte, auf einen älteren Knaben zu warten.
    Doch als ihre Mutter sie zu uns brachte, verstand ich es.
    »Tritt vor, Dominique«, keifte ihre Mutter und schubste sie gewissermaßen vor unseren Tisch. Ich fragte mich, ob die Mutter angeregt hatte, dass das Mädchen auf den Knaben wartete. Er war zwar jung, aber nicht zu jung, um für das Werben eines Mädchens empfänglich zu sein. Ich schätzte sie auf etwa dreizehn oder vierzehn, also nur wenig jünger als der Knabe. Ein Kind zu empfangen konnte für ein solches Mädchen die einzige Hoffnung sein, sich einen Gatten zu sichern.
    Jean de Malestroit hielt sich im Hintergrund, während ich mit ihr sprach. Wenn es mir nicht gelang, ihr zu entlocken, was wir brauchten, konnte er immer noch eingreifen.
    » Bonjour, ma chérie « , sagte ich.
    Die Mutter klopfte ihr hastig auf die Schulter. Das Mädchen verbeugte sich und sagte: » Bonjour, Mère. « Dann faltete sie die Hände vor ihrer weißen Schürze, die aussah, als wäre sie für den Besuch im Bischofspalast gründlich gewaschen worden.
    »Danke, dass du heute hierher gekommen bist.«
    » Oui, Mère « , sagte sie und verbeugte sich wieder.
    »Ich habe gehört, du weißt etwas darüber, was mit dem Sohn von Thomas Aise geschehen ist. Du hast ihn das Schloss betreten sehen, sagt deine Tante.«
    »Das ist richtig, Mère. «
    »Ging er allein hinein oder in Begleitung?«
    »In Begleitung eines Mannes.«
    »Kennst du diesen Mann?«
    »Nein. Aber ich habe ihn in Machecoul schon einmal gesehen. Man sagt, er heißt Henriet.«
    Ich musste aufpassen, dass meine Betrübnis sich nicht zeigte. Und auch meine unheilige und schändliche Aufregung nicht! Denn noch hatte ich Jean de Malestroit nichts von meinen Gedanken bezüglich Milord de Rais und all diesen ungeklärten Fällen erzählt.
    »Hast du gehört, was dieser Mann Henriet zu dem Aise-Knaben sagte?«
    »Sein Name ist Denis, Mère. «
    »Gut, Denis. Hat Monsieur Henriet etwas zu ihm gesagt?«
    » Oui, Mère. « Wieder vollführte sie eine hastige und unnötige Verbeugung, bevor sie fortfuhr. »Er sagte, wenn Denis kein Fleisch hätte, könne er ins Schloss kommen und welches erhalten.«
    Fleisch war für ein hungriges Kind eine mächtige Verlockung.
    »Hat Denis etwas erwidert?«
    »Nein, aber er ging sogleich hinein.«
    »Sprach er mit dir, bevor er es tat?«
    Sie senkte leicht den Kopf. »Nein.«
    Weiter sagte sie aus, sie habe gesehen, wie er weggeführt wurde. Sie war die Letzte, die ihn außerhalb des Schlosses gesehen hatte.
     
    Wir sammelten all diese Neuigkeiten und brachten sie zusammen mit denen über die früheren Fälle zu Pergament. Überall lagen Bögen in Stapeln und Folianten; ich wunderte mich, dass sie ob der Hitze des auf ihnen Verzeichneten nicht in Flammen aufgingen.
    Eines Tages standen wir über den Dokumenten, und es kam zur Sprache, worauf alles hindeutete.
    »Guillemette«, sagte er niedergeschlagen.
    »Ja, Eminenz …«
    »Ein Muster zeigt sich.«
    »In der Tat, Eminenz. Das habe ich mir selbst schon gedacht.«
    Ein Schweigen entstand, in dem wir beide über das Problem nachdachten, das wir enthüllt hatten. »Was sollen wir tun?«, fragte er schließlich.
    Ich kann die Gedanken nicht beschreiben, die mir in diesem Augenblick durch Herz und Seele gingen, denn sie waren zu ungeordnet und wirr. Auch wollte ich gar nicht, dass sie in meinen Gedanken genauere Form annahmen. Aber sie taten es trotzdem, gegen meinen Willen. »Ich bin nicht diejenige, der man diese Frage stellen sollte«, sagte ich leise. »Ich kann kein unvoreingenommenes Urteil abgeben.«
    Weiter brauchte ich mich nicht zu erklären. Er wusste sehr gut, was in meinem Herzen vor sich ging. Unmöglich aber konnte er die wahre Natur meiner Seelenqualen verstehen – die kann niemand verstehen, der nicht ein Kind mit Geduld und besten Absichten aufgezogen hat, nur um miterleben zu müssen, wie der Charakter dieses Kindes schrecklich vom wahren Weg abweicht.
    »Es scheint offensichtlich, dass Milord de Rais diese Kinder stiehlt oder zumindest jemand in seinen Diensten es tut. Könnte er so blind sein für die Taten seiner Untergebenen, dass er es nicht weiß?«
    »Man hofft, dass es so ist«, sagte ich.
    Ich atmete einige Male, bevor seine Beobachtung an mein Ohr drang. »Aber Ihr glaubt es

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