Die Schreckenskammer
Filzstifte, kleine Steine, verbogene Büroklammern, abgenagte Bleistifte, zerrissene Schuhbänder, Sammelkarten, ausländische Münzen, Kinokarten …
Und ein Bleistiftetui, aus dem Souvenirladen der La-Brea-Teergruben.
13
Das Pferd, das man mir für den Ritt nach Saint-Etienne gab, war ein sanfter Brauner, aber je länger der Ritt dauerte, desto mehr graute mir vor dem nächsten Morgen, würden meine Beine und Seiten doch so steif sein, dass ich kaum würde gehen können. Früher war ich gern auf einem Pferd geritten, vor allem, wenn Etienne mich und meine Söhne zu einem Ausflug über Land mitnahm. Wir baten den Stallmeister in Champtocé um Tiere, der es eigentlich nicht gestatten durfte, uns aber sehr gern zu Willen war, vor allem, wenn die Herrschaft in Machecoul weilte und nichts davon erfuhr. Michel und der junge Gilles ritten oft alleine aus, auf Pferden, die viel zu groß waren für sie, um kleine Tiere durch den Wald zu jagen oder um mit dem eben flügge gewordenen Vogel, den Milord an seinen Arm gewöhnte, Falkner zu spielen. Oft blieben sie stundenlang aus, was nicht nur mir Sorgen bereitete, sondern auch Jean de Craon, der so viel in seinen Enkel investiert hatte, dass schon ein gekrümmtes Härchen ihn zu einem Wutausbruch gegen all jene reizte, die sich um ihn zu kümmern hatten. Doch auch uns allen gelang es nicht immer, ihnen eine Begleitung aufzuzwingen, denn oft schlichen sie sich heimlich davon.
Ich konnte mir nur vorstellen, in welche Raserei Jean de Craon geraten wäre, hätte er über seinen Enkel erfahren, was ich am gestrigen Tag über ihn erfahren hatte.
Als wir uns nun Saint-Etienne näherten, kam zu meinen körperlichen Beschwerden noch eine dunkle Vorahnung. Es würde zu keiner Begegnung zwischen uns und Milord kommen, zumindest zu keiner beabsichtigten, denn wir waren nur ein kleiner Trupp und unbewaffnet, und Seine Eminenz wollte die Lage nur aus sicherer Entfernung beobachten. Wir wollten uns nicht zu erkennen geben, außer es sollte unbedingt notwendig werden, sondern wollten still und leise Erkundigungen bei jenen einholen, die Zeugen der Einnahme des Schlosses geworden waren. Und wir würden warten und schauen, was sich entwickelte. All dies hatte Seine Eminenz angeordnet, um mir einen Gefallen zu tun. Am Abend zuvor hatte Jean de Malestroit – nach Abschluss der Vorbereitungen – für uns ein kleines Abendmahl auftragen lassen, das wir hungrig in der Ungestörtheit seiner Gemächer zu uns nahmen. Es war ein unter den Umständen angenehmer Abend, der nur dadurch einen säuerlichen Beigeschmack bekam, dass er wieder anhub, Einwände gegen diese Reise zu erheben.
Jetzt saß ich im hellen Tageslicht auf einem Pferd, und alle meine Sinne waren aufs Äußerste geschärft, ein Zustand, den ich kaum kenne, denn von einer Frau Gottes wird so etwas nur selten verlangt, außer vielleicht, es handelt sich um Jeanne d’Arc. Aus dem Schutz einer Baumgruppe heraus spähte ich nach Saint-Etienne hinüber; ich war aufgeregt und ein wenig ängstlich, stellte mir trotz allem aber auch künftigen Ruhm vor beim Anblick dessen, was ich vor mir sah: die gut bewaffneten und kampfbereiten Fußsoldaten im Umkreis des Schlosses in der Nähe der uralten Kirche, die Berittenen, deren Pferde unter dem Gewicht der Rüstung tänzelten. Ich erkannte den Marquis de Ceva – ein widerlicher Halunke, wie die Welt noch kaum einen gekannt hat.
»Milord ist nirgendwo zu sehen. Er muss wohl noch im Schloss sein«, sagte ich zu Seiner Eminenz.
Er nickte ernst, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. Mein Kriegergebaren schien ihn zu erheitern. Für mich war es eine Möglichkeit, mir die Zeit zu vertreiben, denn allmählich wurde ich es müde, nur in die Ferne zu starren, während vor dem Kircheneingang Soldaten in offensichtlicher Verwirrung herumliefen.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Ich erregte Anstoß bei unserer Truppe, indem ich meinen Schleier abnahm und mir die Haare ausschüttelte, setzte ihn aber eiligst wieder auf, als alle Köpfe sich in meine Richtung drehten. Jean de Malestroit ließ ein schnelles Kichern hören und zog dann seine Augenbraue hoch. Er beugte sich zu mir und flüsterte: »Es wird Euch vielleicht trösten zu hören, dass ein Helm nicht weniger lästig ist. Ich nehme an, Ihr werdet bald auch Euer Schwert brauchen.«
Was ich mehr brauchte, war eine bequemere Sitzgelegenheit – ich musste meine Haltung auf dem Pferd alle paar Minuten ändern, um nicht gänzlich steif zu
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