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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Geschmack im Mund, den ich in solchen Situationen
immer verspürte. War der Geschmack des Sieges so bitter, weil
man wußte, auf wie vielen Schicksalen man herumgetrampelt
hatte, um so weit zu kommen?
Als er endlich wieder zu mir aufsah, waren seine Augen
rotumrandet, und die Wangen glühten vom Weinen. Er sah aus,
als sei er sechs Jahre alt und ausgeschimpft worden, weil er im
Kindergarten nicht brav gewesen war.
»Und nun erzähl«, sagte ich. »Was ist mit ihr passiert?«
»Sie … Ich blieb noch im Jimmy, nachdem sie … Saß im
Hinterzimmer mit Kenneth, trank Kaffee und sah fern. Sie haben
da Eurosport. Dann kam ein Anruf. Es war etwas passiert, und
ob wir kommen könnten und aufräumen.«
»Von wem kam der Anruf, sagtest du?«
»Das weiß ich nicht.«
»Und wie ging es weiter?«
»Dann sind wir hingefahren, und da lag sie.«
»Torild?«
Er nickte.
»Und sie war tot?«
»Ja! Sie war tot. Daran war kein Zweifel.«
»Das muß ein furchtbarer Schock für dich gewesen sein.«
Er zuckte mit den Schultern. »Na ja …«
»Aber es war sonst niemand im Zimmer?«
»Nein, nur sie. Sie lag auf dem Bett, nackt, und wir – wir
sahen es sofort, den starren Blick …«
»Habt ihr herausgefunden, was passiert war?«
»Nein, einige Kunden waren ja manchmal ein bißchen grob.
Kenneth sagte, es sei sicher einer gewesen, der sich nicht unter
Kontrolle hatte.«
»Und … Aber wer hat euch reingelassen?«
»Ins Hotel? Kenneth hat einen Universalschlüssel.«
»Kenneth? Sag mal, von welchem Hotel sprechen wir denn?«
»Vom Pastell, natürlich! Was dachten Sie denn?«
»Und von welchem Tag?«
»Donnerstag! Da ist es doch passiert!«
»Also nicht am Freitag?«
»Freitag? Es war am Donnerstag! Glauben Sie mir, ich weiß
es!«
»Okay. Und wie habt ihr den Auftrag ausgeführt?«
Wieder begann es um seinen Mund herum zu zittern.
»Kenneth hatte so einen Abfallsack aus Plastik. Wir hievten sie
da rein, trugen sie zum Auto runter, legten sie auf den Rücksitz
und fuhren los. Wir diskutierten eine Weile, wo wir sie hinbringen sollten, ob wir sie ins Meer werfen sollten, oder … Aber
dann kamen wir auf die Idee, sie da rauf zu schaffen, zum
Fanafjell, und es war Kenneth, der die Idee hatte, ihr ein
Satanistenzeichen in die Haut zu sch-schneiden, um den
Verdacht von uns abzulenken, Sie war ja schon tot, für sie
spielte es ja keine Rolle mehr!«
»Also habt ihr das gemacht?« sagte ich, erstaunt darüber, wie
ruhig meine Stimme klang.
Er nickte stumm.
»Und danach?«
»Äh, danach … Ich fuhr Kenneth wieder zurück in die Stadt,
und dann fuhr ich wieder zurück. Ja, ich machte noch einen
Umweg über Ulven und Lysekloster –«
»Aus Angst, sie könnte plötzlich am Straßenrand stehen und
trampen, vielleicht?«
Vidar Waagenes sah mich verständnislos an. »Helge –« Er
öffnete seine Aktentasche und holte einen braunen Briefumschlag heraus. Dann breitete er einen Fragebogen aus, räusperte
sich vorsichtig und sah fast feierlich in die Runde, bevor er
fortfuhr: »Ich habe eine Kopie des endgültigen Berichts vom
Gerichtsmedizinischen Institut bekommen, mit der Feststellung
der Todesursache und den Ergebnissen von einigen anderen
Untersuchungen.«
Er machte eine Pause. Helge Hagavik und ich saßen stumm da
und sahen ihn an. Er sah von einem anderen, ehe er fortfuhr:
»Daraus geht hervor, daß Torild Skagestøl erstickt wurde,
höchstwahrscheinlich dadurch, daß jemand ein Kissen oder
ähnliches auf ihr Gesicht gepreßt hat. Das Satanistenzeichen ist
ihrem Körper tatsächlich zugefügt worden, nachdem sie schon
tot war. Et cetera, et cetera. Wir brauchen nicht alles durchzugehen. Aber eines sollte dir klar sein, Helge, nach dem, was du
heute und auch davor erzählt hast.«
Er machte eine Kunstpause, bevor er seinen Blick wieder an
seinen Klienten heftete und sagte: »Infolge dieses Berichtes hier
war Torild Skagestøl HIV-positiv.«
Ein plötzlicher Schrecken breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»HIV? Aber – aber sie stand doch auf der ›sicheren Liste‹!«
»Genau«, sagte ich. »Die ›sichere Liste‹ …«
45
    »Lassen Sie es mich Muus selbst erzählen«, sagte Vidar
Waagenes, als wir die Treppen wieder hinaufgingen. »Daß mein
Klient bereit ist, ein vollständiges Geständnis seiner Beteiligung
an dem, was nach dem der Mord geschehen ist, abzulegen, daß
er aber daran festhält, mit dem Mord selbst nicht das geringste
zu tun zu haben.«
»Da wird er sich aber tüchtig freuen, Muus, meine

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