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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Kopfschmerzanfall kündigte sich an.
»Dann, glaube ich, fahre ich wohl besser nach Hause. Ihr wißt,
wo ihr mich erreicht, wenn was ist.«
»Dann sind Sie entlassen«, sagte Helleve und wandte sich
wieder Laila Mongstad zu.
Ich warf einen letzten, langen Blick auf sie. Aber ich wollte sie
nicht so in Erinnerung behalten. Sie sollte mir als die Frau in
Erinnerung bleiben, die ich einmal in den Armen gehalten hatte
– ihren warmen Blick, ihr offenes Lächeln und die weichen
Lippen. Ich wollte mich an sie erinnern, wie sie lebendig
gewesen war, nicht als eine leere Hülle. Und ich würde mich an
sie erinnern.
    Ganz entlassen war ich denn doch nicht.
Auf dem Korridor traf ich Muus, den Polizeiarzt an den Fer
sen.
»Veum«, knurrte er auf mehrere Meter Abstand. »Können Sie
nicht mal halblang machen? Warten, bis ich abgetreten bin, zum
Teufel! Nicht noch mehr für uns finden! Wie oft soll ich Sie
noch darum bitten?«
»Diese hätte ich liebend gerne nicht gefunden, Muus.«
»Gib diesem Mann eine Einbalsamierungsspritze«, sagte er zu
dem Arzt, als sie an mir vorbeigingen.
»Hilft die gegen Kopfschmerzen?« fragte ich, aber keiner von
ihnen machte sich die Mühe, zu antworten.
Ich nahm den Fahrstuhl nach unten, gab den Besucherausweis
an der Rezeption ab und wurde ordnungsgemäß von dem
Wachmann ausgetragen, unter der Aufsicht eines pingeligen
Polizisten.
    Draußen blieb ich stehen und sog die Luft tief in die Lungen.
Es hatte aufgehört zu schneien. Auf der anderen Straßenseite
erinnerte die Grieghalle mehr denn je an ein auf Grund gelaufe
    nes Schiff. Hinter der Konzerthalle lagen das Fløyenfjell,
Vidden und Ulriken wie mit Puderzucker bestreute Zuckerhüte.
Der Fernsehmast auf Ulriken war mit der Halle verwandt: eine
nie abgeschossene Rakete, ein Denkmal des Raumfahrtprogramms, das niemand sich hatte leisten können.
    Neuschnee mit frischen Spuren.
Ich wunderte mich – Aber nicht mehr, als daß ich doch den
Berg hinauf ging, mich ins Auto setzte, zwei Kopfschmerztabletten schluckte und nach Hause fuhr.
Ich parkte am steilsten Teil des Blekeveien, in einer zufälligen
Lücke zwischen zwei anderen Fahrzeugen.
Vor der Eingangstür blieb ich stehen und suchte einen Moment nach dem Schlüssel. Vielleicht bemerkte ich sie deshalb
erst, als sie genau hinter mir standen. Kenneth Persen griff
meinen Arm und drehte ihn im Polizeigriff auf den Rücken.
Fred hielt etwas Spitzes und Kaltes an meinen Hals, während er
brummte: »Bist verdammt spät dran, Veum. Wir dachten schon,
du kämst nicht mehr.«
»Was wollt ihr?« murmelte ich.
»Dich zu einer Autofahrt einladen«, sagte Fred.
»Letzte Chance«, fügte Kenneth Persen mit einem kleinen
Freudenruck an meinem Arm hinzu, so daß mir vor Schmerz der
Atem stockte.
48
    »Willkommen im Hotel Zwischenstation, Veum«, hörte ich die
Stimme von Birger Bjelland sagen, als die beiden Laufburschen
mich losließen und mich auf dem staubigen Betonboden vor sich
her schubsten. Die grelle Lampe, die er auf mein Gesicht
gerichtet hatte, blendete mich und machte es unmöglich, mehr
als nur seine Silhouette zu erkennen.
    Ich drehte mich ein Stück herum.
Fred und Kenneth Persen richteten ihre Lampen auf meine
Augen. Sie hatten sich auf beiden Seiten hinter mich gestellt, so
daß ich mich in der Mitte von etwas befand, das an ein gleichschenkliges Dreieck erinnerte. Es bestand kein Zweifel darüber,
wer die Situation unter Kontrolle hatte.
Sie hatten mich hinten im Wagen auf den Boden gelegt, aber
wir waren nicht weit gefahren, und als sie mich vom Auto zu
dem verlassenen Fabrikgebäude führten, hatte ich gesehen, wo
wir waren. Wir befanden uns auf einem Industriegelände in
Sandviken, direkt am Meer, hinter hohen Maschendrahtzäunen
und auf etwas, das an eine Baustelle erinnert hätte, wenn da
nicht die rostigen Reste alter Flaschenzüge, Kräne und Stellwerke gewesen wären. Die Fenster im ersten Stock des großen,
grauweißen Gebäudes waren mit Brettern abgedeckt und fest
zugenagelt. An der Fassade gähnten dunkle Öffnungen, wo
jemand die alten Fenster eingeschlagen hatte.
»Habt ihr gecheckt, ob er sauber ist?« fragte Birger Bjelland.
»Keine elektronischen Schweinereien dabei?«
»Nein«, murmelte Fred hinter mir.
»Na, dann mal los!«
Kenneth Persen hielt den Abstand, während Fred mich mit
einer Pingeligkeit abtastete, als hätte er Gefallen daran.
»Vergiß es«, murmelte ich, »du hast bei mir sowieso keine
Chance.«
»Halt die Schnauze,

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