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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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er ein drittes Mal, und es klang wie eine Beschwörung.
Ich selbst ging weiter hinein, nicht in der Lage stehenzubleiben, bis ich die Finger an ihrem Hals hatte und nach ihrem Puls
fühlte.
Mein Herz schlug wie ein Hammer in meiner Brust, und meine
Finger waren kalt wie Eis auf ihrer Haut.
Laila Mongstad lag über ihrem Schreibtisch, in einer unbequemen, verrenkten Stellung, als wollte sie auf keinen Fall zur
falschen Zeit auf die Tasten drücken.
Ich sah auf ihren Bildschirm. Die eine Hand war auf einer
Taste liegengeblieben, wo sie ihre letzte Mitteilung an die Welt
geschrieben hatte:
kkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkkk
kkkkkkkkkkkkkkkkkkkk Ich drehte mich um und sah Trond
Furubø an. Er stand da und starrte mit hängenden Armen und
einem Ausdruck von unendlichem Abscheu im Gesicht: »I-ist
sie …?«
»Ja. Ich glaube, Sie sollten gehen und die Polizei rufen.«
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Erst als ich mit ihr allein war, ging mir auf, was eigentlich
geschehen war.
    Ich stand da mit einem Gefühl der Lähmung, Ohnmacht und
Wut, so als würde ich langsam mit Brackwasser angefüllt, einer
dunklen und ekelhaften Flüssigkeit, von der ich mich nie wieder
würde reinwaschen können.
    Ihr Kopf lag auf der Seite, die Lesebrille auf dem Tisch, und in
ihren weit aufgerissenen, glasigen Augen konnte man noch
einen Ausdruck von Unglauben lesen. Aus diesem Blickwinkel
konnte man eine schwach getarnte Krone auf ihrem Hinterkopf
erkennen, aus der das Haar in einem Wirbel herausstand, und
der dünne silbergraue Haaransatz verriet, daß sie sicher vorhatte,
bald zum Frisör zu gehen.
    Es war unmöglich festzustellen, ob sie bei der Arbeit überrascht oder ob sie infolge eines Streits umgebracht worden war.
Aber es war wenig wahrscheinlich, daß sich jemand in der
leeren Redaktionsetage von hinten an sie herangeschlichen
hatte, ohne daß sie etwas gehört und sich umgedreht hätte.
Wenn sie nicht so in das vertieft war, woran sie gerade saß, daß

    Ich beugte mich vor und las den Dateinamen auf dem Bildschirm: Bjelland.doc.
»Oh, Scheiße!« sagte ich zu mir selbst.
Trond Furubø kam zurück. »Sie sind unterwegs«, sagte er
ernst.
»Ich habe auch dem Redakteur Bescheid gesagt.«
»Solange Sie nicht auch den anderen Zeitungen einen Tip
gegeben haben …«
Er blickte mich angewidert an.
»Tut mir leid, war nicht so gemeint.«
»Kannten Sie sie, Veum?«
»Ja, wir waren – alte Bekannte.«
Die Tür zum Großraumbüro sprang auf, und Holger Skagstøl
kam herein. »Was höre ich da? Ist das wahr?«
Wir antworteten nicht, sondern folgten seinem Blick, bis er die
Antwort fand. Er blieb mit einem Gesichtsausdruck vor Laila
Mongstad stehen, der meinen eigenen Gefühlen entsprach: Wut,
Ohnmacht und ein dumpfer Schock. »Das kann nicht wahr
sein!«
Er sah sich hilflos um. »Hier drinnen? Im Haus!« Er richtete
den Blick auf mich. »Was hat das zu bedeuten, Veum? Hatte es
etwas mit – mit Torild zu tun?«
»Das weiß ich nicht.« Ich sah Trond Furubø an. »Woran hat
sie gearbeitet? Ich meine, heute früh?«
»Ein Fall vom Jugendamt. Das war immer ihr Lieblingsthema.
Wenn sie irgendwo ein unglückliches Kind witterte, dann ging
sie ganz Feuer und Flamme ans Werk und gönnte sich keine
Ruhe, bis sie – eben …« Er sah beschämt auf sie hinunter, als
fürchtete er, etwas Falsches gesagt zu haben. »Was … was
glauben Sie, ist passiert?«
»Jemand hat sie zu hart angefaßt«, sagte ich bitter. »Hat sie
sich vielleicht mit der Schlußredaktion über einen Leitartikel
gestritten?«
»Veum!« stieß Holge Skagestøl hervor, und Trond Furubø
stimmte ihm bei: »Ich kann nicht behaupten, daß mir Ihr Ton
gefällt.«
»Nein, irgendwie setzen so unerwartete Todesfälle immer Gift
in mir frei. Es spritzt einfach so heraus.«
Skagestøl sah auf den kurzen Nacken Laila Mongstads. »Sie
war eine erstklassige Journalistin. Gab nie auf, bevor sie einer
Sache auf den Grund gekommen war, und was sie präsentierte,
war so sorgfältig recherchiert wie überhaupt möglich.«
Laute Stimmen vom Korridor veranlaßten uns, zur Tür zu
sehen. Atle Helleve, Peder Isachsen und ein uniformierter
Polizist kamen herein.
Helleve begrüßte mich kurz. »Ich habe Muus unterrichtet. Er
ist auf dem Weg.«
»Ach, auf dem hölzernen?« Wieder das Gift.
Isachsen sah mich säuerlich an. »Ja, ja … Veum, der Leichensammler!«
Ich ignorierte ihn und wandte mich an Helleve. »Laila
Mongstad. Journalistin. Ich habe vor einer knappen Stunde mit
ihr

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