Die Schrift an der Wand
war?«
»Ja, wir hatten ja Bescheid bekommen, daß das Zimmer bis
zwei Uhr besetzt war.«
»Und das war völlig normal so?«
Ihr Blick glitt wieder davon. »J-ja – Das passiert oft, daß die
Gäste das Zimmer etwas länger brauchen.«
»Klar, aber, ich meinte … Sie hatten den Richter schon mal
gesehen, oder?«
»Ja, er … Es hieß, er hätte wichtige Treffen da – Konferenzen.«
»Mmh.« Ich sah sie aufmunternd an.
»Also … Ich hatte ihn da schon gesehen.«
»Und … Haben Sie gesehen, mit wem er diese Treffen hatte,
davor?«
»Ma-manchmal – Ja.«
»Waren es Männer?«
Sie antwortete nicht.
»Frauen?«
Sie nickte.
»Verschiedene Frauen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Vi-vielleicht.«
»Jung?«
Ihre Lippen wurden schmal.
»Sehr jung?«
Erneutes Nicken. »Das …«
»Ja?«
»Na ja, ich war nur froh, daß ich es nicht war! Und wenn ich
noch so viel dafür bekommen hätte!«
»Tja, so würden wohl die meisten denken.«
»Das alte Schwein! Er hat nur bekommen, was er …« Abrupt
brach sie ab, entsetzt über das, was sie zu sagen im Begriff
gewesen war.
Ich holte den Zeitungsausschnitt mit dem Bild von Torild
Skagestøl hervor, legte ihn auf den Tisch und schob ihn zu ihr
hinüber. »Das Mädchen hier, war das vielleicht eine davon?«
Sie sah schnell auf das Bild, fast als habe sie selbst Angst,
wiedererkannt zu werden. Sie nickte leicht. Dann beugte sie sich
weiter vor und betrachtete es gründlich, um dann mit weit
entschlossenerer Miene zu nicken. »Etwas andere Frisur,
vielleicht, und mit ’nem viel frecheren Gesicht, aber … Ja …«
Sie sah mir gerade in die Augen. »Ich bin sicher, daß sie es ist!«
Ich beugte mich vor. »Daß sie es auch an dem Tag war, von
dem wir sprechen?«
Sie wurde unsicher. »Ich g-glaube, aber … Ich habe sie an
dem Tag nicht so deutlich gesehen, aber sie war es fast immer.
Mehrere Male. Ich bin mir jetzt ganz sicher. Und wenn sie an
mir vorbeikam, an uns, im Flur, sah sie uns gerade ins Gesicht,
mit dem frechsten Blick der Welt, als ob wir, als ob wir nicht
begriffen, was sie da drinnen machten, als ob wir nicht wüßten,
was sie für eine war!«
Ich spürte ein merkwürdiges Rauschen in mir, eine Mischung
aus Zufriedenheit und Angst. Zufriedenheit über das, was ich
erreicht hatte, Angst davor, wohin es führen würde. »Aber …
Okay. Gehen wir zurück zu dem besagten Tag, vorigen Freitag,
stimmt’s?«
Sie bestätigte es mit einem matten Nicken.
»Erzählen Sie mir, wie es kam, daß Sie … daß Sie ihn gefunden haben.«
Sie schob die große Brille den Nasenrücken hinauf, aber schon
wenige Worte später war sie schon wieder heruntergerutscht.
»Ich hab zuerst sie gesehen. Sie hatte es – sie schien es sehr eilig
zu haben, denn auf dem Weg zum Fahrstuhl war sie noch damit
beschäftigt, die Bluse in die Hose zu stecken, aber als sie mich
sah …«
»Ja?«
»Ich kam gerade aus einem Zimmer ganz am Ende des Flurs,
und dann … Als sie mich entdeckte, drehte sie sich ganz schnell
weg, als ob sie«, sie suchte nach dem richtigen Ausdruck, »ja,
nicht gesehen werden wollte, irgendwie. Und dann verschwand
sie um die Ecke, und dann ist sie sicher die Treppe runter
gegangen.«
»Fanden Sie ihr Verhalten sofort auffällig?«
»Ja, aber nicht so …«
»Sind Sie danach in das Zimmer gegangen?«
»Nein, nein, es war ja noch nicht zwei, und sie hatten das
Zimmer …« Es verschlug ihr die Sprache.
»Ja, und weiter?«
»Dann machte ich die anderen Zimmer.«
»Und wie spät war es, als Sie zu Brandts Zimmer kamen?«
»Ich hab nicht nachgesehen, aber zehn vor halb drei, so ungefähr, nach dem, was die Polizei gesagt hat. Es war jedenfalls
14.25, als sie mich von der Rezeption anriefen.«
»Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
»Es ist gar nichts passiert. Als ich zu dem Zimmer kam, klopfte ich an und wartete, wie wir es immer machen sollen. Aber es
hätte ja sein können, daß er schon gegangen war, während ich in
einem der anderen Zimmer beschäftigt war, also … Als keiner
antwortete, schloß ich auf.« Sie hielt die Hand vor den Mund,
und die Erinnerungen an das, was sie gesehen hatte, schienen so
stark zu sein, daß sie unwillkürlich ihre eigenen körperlichen
Reaktionen wiederholen mußte.
»Zuerst war es so still, daß ich sicher war, er wär’ schon weg.
Aber es war ein Geruch da drinnen, ein undefini … Und als ich
dann hineinging, da lag er da, auf dem Bett, in einer völlig
verrenkten Stellung, nur in – in … Ich mußte mich
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