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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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passiert ist?«
Sie nickte wortlos.
Ich sah mich nach beiden Seiten um. »Könnte ich vielleicht
einen Augenblick reinkommen?«
Wieder zuckte sie mit den Schultern, bevor sie zur Seite trat.
Es spielte keine Rolle für sie.
Ich folgte ihr durch den dunklen Flur ins Wohnzimmer.
Es war spartanisch eingerichtet, dominiert von verchromten
Stahlrohrmöbeln mit schwarzen, nicht ganz sauberen Stoffkissen. In einer Ecke stand ein Fernseher und auf dem Boden
darunter ein Videogerät, umgeben von einer Unzahl von
Kassettenhüllen. In einem Regal stand ein Radio, ein doppeltes
Cassettendeck und eine Lücke, wo der CD-Player hätte sein
sollen. Die losen Kabel dahinter ließen denn auch darauf
schließen, daß dort einmal einer gestanden hatte.
Aus dem Radio dröhnte ein durch Werbung finanzierter Sender seine halbhysterischen Spots in den Äther und in Gerd
Nikolaisens Wohnzimmer. Sie ging und drehte irritiert die
Lautstärke herunter. Als sie sich zu mir umdrehte, schnürte sie
den Morgenmantel in der Taille enger zusammen, aber nicht so
schnell, als daß ich nicht einen Blick auf die nackte Haut ihrer
Brust erhaschen konnte.
Ich blieb stehen. »Diese Mädchen – Ist Ihnen klar, in welchen
Kreisen sie sich bewegt haben?«
Sie nickte zu einem der Stühle, zum Zeichen, daß ich mich
setzen sollte, und folgte mir dann, um sich auf das Sofa auf der
anderen Seite des niedrigen Tisches zu setzen. Die Tischplatte
war aus schwarzem Kunststoff und lag auf dem gleichen
Stahlrohrfundament wie die anderen Möbel. »Klar – was meinen
Sie denn damit?«
»Ich meine – wissen Sie, in welchen Kreisen sie sich bewegen,
wenn sie in der Stadt sind?«
Sie nahm ein Päckchen Zigaretten vom Tisch, schüttelte eine
Zigarette heraus, steckte sie in den Mund und sah sich nach
etwas um, womit sie sie anzünden konnte.
Ich griff nach einem tonnenförmigen Feuerzeug, zündete und
hielt ihr die Flamme hin. Ihre schmalen Finger mit der Zigarette
dazwischen zitterten, als sie sich vorbeugte, und es war nicht zu
übersehen, wie hellrot sie die Haut bis an den Ansatz ihrer
rotlackierten Nägel abgekaut hatte.
»Nein, ich … Man kann unmöglich alles unter Kontrolle
haben, immerhin war ich die ganze Zeit mit ihr alleine.«
Sie lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander, so daß
der Morgenmantel auseinanderfiel, und sog den Rauch so tief
ein, daß er ihr beinahe zwischen den Beinen wieder herausgeströmt wäre. Dann blies sie ihn langsam auf normalem Wege
wieder aus. Durch den blauen Rauch hindurch sah ich ihre
Augen. Sie waren dunkelbraun, fast schwarz, als bestünden sie
nur aus Pupillen.
»Aber – machen Sie sich keine Sorgen, wenn so was passiert
wie mit Torild?«
Es zuckte leicht um ihre Mundwinkel. »Astrid kann auf sich
selbst aufpassen. Besser, als ich es ihr beigebracht habe.«
»Wie meinen Sie das?«
»Vergessen Sie es.«
Ich seufzte. »Müßte Astrid nicht eigentlich in Ulriken zur
Schule gehen?«
»Das … Sie hat sich da unten mit den Lehrern in die Wolle
gekriegt, und dann kam sie nach Nattland, das war wohl, als sie
in der Fünften war, denke ich.«
»Und da hat sie also Torild und Åsa erst kennengelernt?«
»Asa?«
»Åsa Furubø.«
»Oh? Ja, hat sie wohl.«
»Sie war nicht bei den Pfadfindern?«
»Bei den Pfadfindern? Astrid?« Ihre Oberlippe zog sich in
einem schiefen Grinsen zurück, das die unregelmäßigen Zähne
entblößte. Dann bildete sich eine Furche zwischen den Augenbrauen. »Doch, stimmt eigentlich, sie hat es mal versucht, ein
paar Wochen.« Sie beugte sich vor und schnippte Asche in einen
überquellenden Aschenbecher. »Aber als es daran ging, die
Ausrüstung zu kaufen, wurde es zu teuer. Außerdem hatte sie
kein Interesse.«
»Und wofür hatte sie Interesse?«
Sie sah mich fragend an. »Na ja, wofür interessieren sich
Mädchen in dem Alter? Sie lief eine Weile in die Reithalle, aber
wir hatten ja kein … Dann ging sie eben nur noch neben den
anderen her, wenn die ritten, half ein bißchen im Stall und so,
und dann hörte sie da auch auf.«
Ich saß schweigend und wartete auf die Fortsetzung.
»Ansonsten – Popmusik und Kino und abends auf die Piste.«
Mit einer leicht bitteren Grimasse stellte sie fest: »Sie fing früh
an, mit Jungs zu gehen, die …«
»Die …?«
»Na ja, die deutlich älter waren als sie! So hat sie es sich wohl
angewöhnt …«
»Angewöhnt?«
»Ja?«
Jedes Mal wenn ich eine neue Frage stellte, sah sie mich an,
als sei ich schwer von Begriff. Jetzt

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