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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Visitenkarte, auf der nur mein Name und die Telefonnummer vom Büro
standen. »Wenn Ihnen noch was einfallen sollte, oder wenn Sie
mit jemandem reden müssen, dann können Sie hier anrufen.
Wenn ich nicht da bin, können Sie eine Nachricht hinterlassen.«
»Danke«, sagte sie mit einem Gesichtsausdruck, als müßte sie
das Wort erst testen, weil sie nicht mehr wußte, wann sie es
zuletzt benutzt hatte.
»Ist doch selbstverständlich«, sagte ich und ging.
24
Plötzliche Todesfälle machen etwas mit jedem von uns. In
jedem Fall machen sie uns älter.
    Auch Randi Furubø war gezeichnet von den Ereignissen der
letzten vierundzwanzig Stunden, wenn auch nicht so deutlich
wie Gerd Nikolaisen. Ihr kräftiger Körper war irgendwie
geschrumpft. Die Schultern schienen nach unten gebogen, als
habe sie den vergeblichen Versuch unternommen, in sich selbst
hineinzukriechen, um die Realität auszusperren.
    Sie trug denselben braunen Rock, aber die Bluse war schwarz,
und sie hatte die grau-weiße Strickjacke darüber bis oben hin
zugeknöpft. Sie richtete instinktiv, aber unnötigerweise, ihr
kurzgeschnittenes, dunkles Haar, während sie mich mit kritischen Blicken maß. »Veum?«
»Ja, tut mir leid, aber ich würde so gern noch mal ein paar
    Worte mit Åsa wechseln –«
»Sie ist in der Schule«, sagte sie bedächtig. »Und außerdem
dachte ich wirklich …«
»Ja?«
»Daß jetzt die Polizei den Fall untersuchen würde.«
»Selbstverständlich. Ich betreibe nur ein paar Recherchen im
Hintergrund.«
    »Und was sollte das für ein Hintergrund sein, wenn ich fragen
darf? Da sollten Sie doch wohl besser zu Torilds Familie gehen,
oder?«
    »Nicht direkt zur Familie vielleicht. Eher in das Milieu, in dem
sie sich ab und zu bewegt hat.«
Ein Funke von Neugierde erschien in den braunen Augen.
»Das Milieu – Sie meinen doch nicht etwa … Ist denn was dran
an dieser …« Sie sah ein Stück den Berg hinunter, dorthin, wo
die Stabkirche in Fantoft gestanden hatte.
»Vielleicht könnte ich reinkommen?«
Sie sah mich zweifelnd an, als sei ich ein Zeuge Jehovas und
sie unsicher, ob sie mich wohl wieder loswürde. Dann trat sie
mit leicht mißvergnügter Miene zur Seite. »Sie können hier
drinnen ablegen.«
Dieses Mal kam ich ein Stockwerk höher. Das Wohnzimmer
war einfach und stilecht, mit Parkettfußboden, Grünpflanzen in
den Fenstern, Regalen mit Büchern und dezentem Nippes und
etwas steifen Möbeln in Rot und Mahagoni, die sich als ausgesprochen bequem erwiesen. An einer Wand hing eine Handvoll
Familienfotos, unter anderem ein Foto vom vermutlich ersten
Schultag, auf dem Åsa frohgemut den Fotografen anstrahlte, als
könnte ihr niemals etwas Böses widerfahren.
Ich sah auf die Uhr. »Wann erwarten Sie Åsa zurück?«
»Trond wollte sie abholen. Wir müssen ihr in diesen Tagen ein
bißchen zusätzliche Aufmerksamkeit schenken. Sonst fürchte
ich … Die Sache mit Torild ist ihr natürlich unheimlich nahgegangen.«
»Selbstverständlich. Ich hatte fast erwartet, daß sie zu Hause
geblieben wäre.«
»Nein, wir – sie selbst! – hat beschlossen, daß es am besten
wäre, ganz normal weiterzumachen, in die Schule zu gehen, als
sei es ein ganz gewöhnlicher Tag, und sich zu benehmen, als sei
nichts geschehen –«
»Ja, das ist sicher nicht dumm.«
Sie wirkte wie eine Frau, die die Situation völlig unter Kontrolle hatte, deshalb kam ich direkt zur Sache. »Hören Sie, Frau
Furubø, als ich anfing, an diesem Fall zu arbeiten … Ziemlich
schnell bin ich auf ein Milieu gestoßen, in dem sich in einem
gewissen Rahmen – junge Mädchen prostituiert haben.«
Sie wurde sichtbar blasser. »Åsa nicht!« stieß sie heftig hervor.
»Ganz sicher nicht!«
»Nein, dafür habe ich auch keine Indizien gefunden.«
»Na!« Sie atmete auf. »Aber warum kommen Sie da hierher
und – sagen das so, als ob …«
»Aber Torild war allem Anschein nach darin verwickelt, und
Åsa und sie waren schließlich Busenfreundinnen.«
»Ja, waren! Aber ich hatte den Eindruck, daß es viel weniger
war, daß sie jetzt viel weniger zusammen waren als – als früher.
Åsa würde nie …«
»Und was war mit der Geschichte mit der Lederjacke?«
Sie sah mich leicht verblüfft an. »Mit der Lederj … Na ja, aber
… Das war ein ernster Schock für uns, natürlich, daß Åsa dabei
war und was hat mitgehen lassen –«
»Na ja, mitgehen lassen?«
»Ja, ja, es war wohl Ladendiebstahl, wenn Sie es so ausdrücken wollen! Aber von so was

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