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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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zu … Die Sache ist jedenfalls aus
der Welt!«
Ich fuhr mir über die Stirn. »Lassen Sie uns das hoffen.«
»Ja, das ist sie wirklich! Was meinen Sie eigentlich?«
»Na ja … Aber Sie haben gesagt, Åsa und Torild seien viel
weniger zusammen gewesen als früher?«
»Ja, Åsa – sie hat nicht so viel erzählt, aber sie – Loyalität ist
in unserer Familie immer ein wichtiges Grundprinzip gewesen –
aber ich habe jedenfalls mitbekommen, daß Torild – daß sie jetzt
oft geschwänzt hat, daß sie andere Freundinnen hatte, Freunde –
ja, Jungs, die viel älter waren als sie, soweit ich weiß, kurz
gesagt … Sie verkehrte in anderen Kreisen.«
»Aber Åsa ging ab und zu auch in die Stadt, oder?«
»Natürlich tat sie das. In welchem Jahrhundert leben Sie,
Veum? Es hat keinen Zweck, sie einzusperren, auch wenn man
das noch so gerne möchte!«
»Aber noch im letzten Jahr, zu Pfingsten, waren sie immerhin
zusammen im Pfadfinderlager.«
»Ja, das waren sie – das war wohl, während sie noch …«
»Und dann hörten sie plötzlich beide auf. Das kam sehr plötzlich, oder? Daß sie aufhörten, meine ich.«
»Doch, das mag sein. Aber sie waren wohl da rausgewachsen.
Sowohl Åsa als auch …«
»Sie waren doch draußen im Lager, um sie zu besuchen …«
»Waren wir? Doch, mag sein, wir sind oft … Also, wenn es
nicht zu weit weg war.«
»Und ihr habt den Mädchen damals nicht angemerkt, was dazu
geführt haben könnte, daß sie so plötzlich …«
»Nein, angemerkt? Ich kann mich überhaupt nicht daran
erinnern!«
»Sie haben sie mit Torilds Vater zusammen besucht …«
Ihr Gesichtsausdruck wurde deutlich strenger. »Sollte daran
etwas Ungewöhnliches sein?«
»Nein, ich …«
»Trond war über Pfingsten bei einer Gruppentour über den
Folgefonn, und Sidsel – sie war an dem Tag ganz einfach nicht
in Form. Sie wollen doch wohl nicht andeuten, daß … Woher
haben Sie eigentlich diese Informationen?«
Bevor ich antworten konnte, hatte sie wieder das Wort ergriffen. »Sidsel und Holger und Trond und ich, wir waren
befreundet seit – seit bald zwanzig Jahren. Wir haben zusammen
Urlaub gemacht, wir haben mehrere Wochen im selben Segelboot gelebt, wir waren zusammen in der Sauna, wir waren die
besten Freunde, ohne daß uns jemals in den Sinn gekommen
wäre, nicht eine Sekunde lang, daß wir – daß da etwas sein
könnte … Aber so etwas gibt es ja wohl nicht?« Sie sah mich
anklagend an.
»Doch, sicher! Habe ich …«
»Aber heutzutage, da ist alles so sexuell fixiert, daß zwei gute
Freunde wie Holger und ich nicht einmal gemeinsam nach
Radøy fahren und unsere Mädels im Pfadfinderlager besuchen
können, ohne daß die Leute hinter unserem Rücken reden. Ja,
denn Sie haben das ja wohl nicht von Sidsel, denn dann …«
»Nein, nein. Das kann ich Ihnen versichern.«
»Sie, Herr Privatdetektiv! Sie sind es vielleicht gewohnt, Ihre
Vormittagsbesuche bei Frauen zu machen, die sich mit Ihnen
hinlegen, wenn Sie nur Ihr charmantes Lächeln spielen lassen
…«
»Na, na …«
»Aber ich, ich würde einen wie Sie nicht zweimal ansehen,
und wenn Sie nur in Badehose hier auf dem Teppich vor mir
posieren würden, ich …!« Sie brach ihre Tirade ab, als habe sie
sich plötzlich selbst reden hören, und mit roten, hektischen
Blüten auf den Wangen versuchte sie, alles mit einem gekünstelten Lachen wegzuwischen.
»Das wäre wohl kaum ein vertretbares Benehmen, das muß ich
zugeben.«
»Gut, reden wir nicht mehr davon. Aber eines will ich Ihnen
sagen, Herr Veum. Wenn Sie nach einer zerrütteten Familie
suchen, dann müssen Sie ins Furudal fahren. Die Beziehung ist
kaputtgegangen, aber nicht Tronds und meine. Obwohl wir
natürlich die ersten sind, die es bedauern. Ich meine, jetzt ist
alles anders. Jetzt kann ich mich mit Sidsel treffen und Trond
und Holger arbeiten ja zusammen, aber wir vier, wir können nie
wieder etwas zusammen unternehmen, und das vermisse ich,
wirklich!«
»Sie arbeiten nicht?«
»Nein, und das ist es nicht, was ich vermisse! Sondern gute
Freunde!«
Ich ruckte. »Haben Sie mit einem von ihnen geredet, nachdem
Torild gefunden wurde?«
»Ja, ich habe angerufen, sofort, als ich es erfahren hatte, und
mit beiden gesprochen. Ja, Holger ging ans Telefon, er war kurz
da … Aber was soll man sagen? Ein Kind zu verlieren – gibt es
etwas Schlimmeres? Sie sind so jung, noch nicht fertig, und du
hast sie begleitet, mit all deiner Liebe und Zärtlichkeit, über so
lange Zeit,

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