Die Schrift an der Wand
aktuell gemacht hat.
Das junge Mädchen, das ermordet oben auf dem Fanafjell
aufgefunden wurde.«
Sie nickte. »Aha.«
»Und deshalb will ich wissen, ob es in dem Betrieb neue
Elemente gibt, neue Läden, wo man sich trifft und nicht gerade
süße Musik die Herzen erfüllt, aber in jedem Fall jemand dabei
abkassiert. Ich habe beispielsweise ein Lokal namens Jimmy entdeckt …«
»Die Spielhalle?«
»Ja. Und Laila Mongstad ist dabei, das zu dokumentieren, als
Grundlage für eine größere Reportage.«
Sie lächelte. »Prima! Phantastisch!« Sie dämpfte die Stimme.
»Natürlich finden wir allein, auf eigene Faust, nicht so viel
heraus. Aber man kommt auf uns zu, nicht zuletzt ein Teil der
Prostituierten selbst.«
»Und wie sieht der Markt aus, im Moment?«
»Tja, du weißt doch wohl, warum wir gerade heute abend hier
draußen sind, oder?«
Ich nickte. »Das ist altbekannt. Der Straßenstrich der fünfziger
Jahre, der vom Strandkai aus hierher gezogen ist. Der Mädchenstrich vom Ole Bulls Plass, der jedenfalls zum Teil in diese
Richtung verlagert wurde.«
»Zum Teil, ja. Neu ist natürlich die Rekrutierung aus dem
Drogenmilieu, oft von sehr Jungen, mit ganz neuen Treffpunkten. Der Bereich um Bystasjonen zum Beispiel, ja zeitweise
mitten auf der Torgalmenning, besonders im Sommer.«
»Die Schulferien?«
»Harte Zeit für viele Kids.«
Ein Lieferwagen mit großem, deutlich sichtbarem Firmenzeichen fuhr langsam an der Gruppe vorbei, die sich jetzt auf fast
dreißig vergrößert hatte. Der Mann hinter dem Steuer beugte
sich nach rechts und zeigte uns mit aggressiven Handbewegungen den Finger.
In gebrochenem Sprechchor erhoben sich die Stimmen: »Hurenkunden fahren langsam! Hurenkunden fahren langsam!«
Dann gab er Vollgas, spuckte Abgase aus seinem rostigen
Enddarm, ließ die Hinterräder quietschen und verschwand um
die nächste Ecke, ohne sich umzusehen.
»Dies ist die brutalste Form von Prostitution, natürlich – und
die sichtbarste. Die, die von der Arbeit nach Hause eine Stunde
länger brauchen oder nur kurz mal wegfahren, während die
Kinder Sesam-Straße gucken.«
»Also auch so früh?« wunderte sich Karin.
»Aber ja. Um diese Zeit herrscht Konjunktur an der Mädchenbörse, meine Liebe«, sagte Evy Berge. »Kurz mal schnell zum
Tollbodkai und auf die Parkplätze in der Umgebung, eine
schnelle Nummer von Hand«, sie machte ein paar untermalende
Bewegungen, »oder …«, sie hob die Hand an den Mund,
»vielleicht sogar ein Quicky auf dem Rücksitz, wenn man so
viel ausgeben will.« Sie zog eine Grimasse und sah mit Ekel im
Blick zu mir.
»Männer!«
»Nicht alle«, sagte ich.
»Nein, nein, Schnuckelchen, nicht alle!«
Karin sah aus, als wolle sie etwas sagen, doch ich kam ihr
zuvor.
»Okay, aber die Mädchen, die ihre Aufträge woanders herbekommen, die landen oft in einem Hotelzimmer, oder?«
Sie sah plötzlich müde aus. Dann hielt sie uns ihre Hand hin,
und in dem pädagogischen Stil, den sie offenbar pflegte, zählte
sie an den Fingern ab: »Es gibt in der Stadt folgende verbreitete
Formen der Prostitution. Erstens: Die, die hier draußen abgeht.
Zweitens: Die über Kontaktanzeigen in Zeitungen, Zeitschriften
und über den Telefonmarkt. Vom Typ ›Gut gebaute Blondine,
24, sucht gutsituierten Herrn für Vormittagsverabredung. Volle
Diskretion erwünscht und gesichert.‹ Das sind Mädchen, die
allein in einer gut ausgestatteten Wohnung leben und ihr
Studium oder ihre Hobbys durch Prostitution finanzieren. Sie
sind es, die in Zeitungsinterviews auftauchen, wo sie behaupten,
sie hätten eine vollkommen professionelle Einstellung zu dem,
was sie tun. Sie tun es freiwillig, und sie haben keine Skrupel
dabei, sie sind, wie sie selber sagen, eine Art barmherzige
Samariterinnen der Liebe, und sie wollen sowieso rechtzeitig
damit aufhören.«
»Vielleicht sind sie das.«
»Vielleicht leben wir in einer degenerierten Gesellschaft!
Einer Gesellschaft, in der man alles kaufen kann, sogar Liebe.«
»Wir sprechen von etwas, das manche das älteste Gewerbe der
Welt nennen, oder nicht?«
»Wenn du mich fragst – abartige Männer sind älter.«
»Na gut, wenn du zu denen gehörst, die eine fundamentalistische Einstellung zur Schöpfungsgeschichte haben, dann schon.«
Sie überhörte die Bemerkung und fuhr in ihrer Auflistung fort.
»Drittens: Hotelprostitution. Der ist am schwersten beizukommen. Wer kann die Bekanntschaften, die tatsächlich einfach
beim Tanzen oder an der Hotelbar
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