Die Schrift an der Wand
gemacht werden, von denen
unterscheiden, wo es sich nur um Angebot und Nachfrage
handelt? Wer kann schon volle Kontrolle darüber haben, was
nachts in den Hotelzimmern passiert, ohne zur totalen Überwachung auf allen Ebenen zu greifen?«
»Nein, eben.«
»Und schließlich viertens: Die, wie soll ich sie nennen, institutionalisierte Prostitution. Die sich hinter anderen Branchen und
Betrieben verbirgt. Von den vieldiskutierten Massagesalons
haben wir hier in der Stadt ja auch ein paar. Sie wechseln jedes
halbe Jahr die Adresse, aber es sind dieselben Leute, die sie
führen, und dieselben, die dahinterstehen und sie finanzieren.
Ich kann dir die Adressen von mindestens zwei regulären
Bordellen in der Stadt geben.«
»Aber hör mal, wie sieht es denn da mit den Zuhältern aus?
Dort kann doch zum Beispiel die Polizei ansetzen.«
Sie sah Karin an, als sie antwortete. »Ich kann dir garantieren,
daß in den allermeisten Fällen Männer dahinterstecken und auf
jeden Fall an den Fäden ziehen. Diese Mädchen hier im Viertel,
die haben alle ihre sogenannten Beschützer. Und haben sie
keinen, dann kriegen sie einen. Wenn nicht, dann werden sie
davongeprügelt. So einfach ist das.« Nach einer winzigen Pause
fügte sie hinzu: »Das Schlimmste ist fast, daß sie sie brauchen.
Einige der Kunden sind ekelhafte Schweine, und da kann es von
Vorteil sein, jemanden in der Nähe zu haben, nach dem man
rufen kann.«
»Das ist zum Kotzen!« sagte Karin mit Überzeugung.
»Einige von denen, die von Hotels aus operieren, haben auch
ihre Hintermänner. Zum Teil ganz einfach unter den Hotelbesitzern.«
Ich hob die Hand. »Ja? Gibt es da jemanden, der sich zur Zeit
besonders hervortut?«
»Du erinnerst dich sicher an das Week End? «
»Das jetzt Pastell heißt, ja.«
»Dort ist es ja ein paar Jahre ganz nett zugegangen, unter den
neuen Besitzern. Aber letztes Jahr wurde das Hotel wieder
verkauft, und jetzt – jetzt ist wieder alles beim alten. Das einzig
Neue ist der Name und der Barkeeper.«
»Der Barkeeper?«
»Einer von unseren Kontaktleuten unter den Taxifahrern
erzählt, daß eine der Telefonnummern, die zur Zeit in Umlauf
sind, die Direktverbindung zur Bar im Pastell sei. Du brauchst
nur nach Robert zu fragen.«
»Robert, gebongt. Du kannst sicher sein …«
Plötzlich wurde es um uns herum irgendwie still. Evy Berge
hob den Kopf. Dann wurde sie blaß um die Nasenwurzel, wie
ein witterndes Wildtier. »Wenn man von Kakerlaken spricht,
dann kriechen sie unter deinen Stiefeln vor! Da hast du genau
die Sorte.«
Ich folgte ihrem Blick. Karin zog sich augenblicklich ein paar
Schritte zurück und ich fühlte, wie ihre Hand sich um meinen
Oberarm krallte.
Zwei Typen kamen über die Straße geschlendert. Der eine trug
sein Haar zu einer Schmalzlocke frisiert, wie ich sie seit den
Fünfzigerjahren nicht mehr gesehen hatte. Das weiße Hemd, die
hellblauen Jeans und die schwarzen Schuhe sahen unter dem
langen, schwarzen Wollmantel hervor und versetzten ihn
eindeutig in ebendieses Jahrzehnt. Er war schwer und kräftig,
nicht von der Sorte, die den ganzen Vormittag im Fitneßstudio
verbringt, um dich verprügeln zu können, eher der Typ, der den
Bauch anhebt und ihn dir an den Kopf knallt, was allerdings
kaum weniger effektiv ist.
Der andere wirkte in gewisser Weise älter. Er war klein und
ging mit steiferen Schritten und einem winzigen Einknicken in
einer Hüfte, als hätte er sie sich früher einmal verletzt. Sein
Gesicht war etwas dicklich und der Bart weiß. Er hatte die blaue
Strickmütze tief in die Stirn gezogen und den Kragen der
karierten Holzfällerjacke hochgeschlagen, als wollte er eigentlich nicht erkannt werden.
Die Demonstranten rückten enger zusammen, und in den
Gesichtern spiegelten sich Angst und Irritation, aber auch reine
Wut wider. Der größte Mann aus der Gruppe hatte sich vor die
anderen gestellt, an seiner Seite einer der Stubenreinen und ein
paar Neuankömmlinge, die aussahen wie Studenten. Evy Berge
hob die Schultern und kämpfte sich ebenfalls in die erste Reihe
vor.
Ich wollte in ihr Kielwasser gehen, als Karin mich zurückhielt.
»Warte, Varg, es könnte …«
»Ich bin nicht zum ersten Mal an einem Februarabend unterwegs, meine Liebe.«
»Warte einfach mal ab, was passiert.«
»Okay.«
Der massive Typ im Wintermantel sprach ein auffallend
sauberes Bergensisch, als sei er unter einem Rhododendronbusch in Kalfaret gezeugt worden. »Darf ich fragen, ob ihr für
diese
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