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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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aufgehört haben! Weil es ihnen
peinlich war, natürlich! Sie trauten sich nicht mehr, mir in die
Augen zu sehen, alle beide nicht, die ganze restliche Zeit im
Pfingstlager.«
Sie stand auf und zog die Lammfelljacke an. Einen Augenblick lang zögerte sie. »Sie behalten es für sich, ja? Jetzt, wo Sie
wissen …«
Ich sah sie beruhigend an. »Das wird kein … Wie Sie selbst
gesagt haben, sie haben jetzt mehr als genug andere Sorgen, als
alte Jugendsünden –«
Als sie gegangen war, leerte ich langsam die Kaffeetasse,
bevor ich es ihr gleichtat.
Um das Lille Lungegårdsvann herum war der Entenschwarm
deutlich kleiner geworden. Nur die allesfressenden Möwen
liefen auf dem alten, brüchigen Eis umher und pickten an einer
der offenen Wasserstellen, in der Hoffnung, etwas Eßbares zu
finden. In der Glasfassade des Anbaus am Hotel Norge spiegelte
sich der Winterhimmel in blassen Pastellfarben. Der Musikpavillon im Bypark war bar jeglicher Blumenpracht, und die Beete
waren mit Tannenzweigen abgedeckt, um die Hoffnung auf den
Frühling wachzuhalten. Wer wollte schon im Februar sterben
und begraben werden, wenn das Leben langsam wieder erwachte, die neuen Triebe langsam ihre Fühler durch die Winterdecke
streckten und die Sonne bald anfangen würde zu wärmen. Ich
nicht, und niemand sonst.
29
Ich traf Dankert Muus in seinem Büro an.
    Er sah auf, als ich an die Tür klopfte, und wirkte so begeistert,
als wäre ich an einem freien Samstag mitten durch sein Tulpenbeet getrampelt.
    »Kann ich ein paar Takte mit Ihnen reden?«
»Wenn es sich nicht vermeiden läßt.« Er sah mich mißtrauisch
an. »Ich hab Ihnen ’ne klare Anweisung gegeben, stimmt’s,
Veum?«
    »Schon, aber jetzt geht es tatsächlich um etwas anderes.«
»Und das wäre?«
»Aber ich lese ja in den Zeitungen, daß ihr große Fortschritte
    macht.«
»Ach ja?«
»Der, den ihr da in der Mangel habt … Ihr habt wahrscheinlich
klare Indizien, weil er jetzt zum ›Verdächtigen‹ aufgestiegen
ist?«
    »In den Zeitungen, ja! Sie müssen nicht alles glauben, was Sie
lesen. Aber ich gebe keine Kommentare ab, weder an Sie noch
an irgend jemand anderen außerhalb des Hauses.«
    »Es ist immer noch keine Anklage erfolgt, stimmt’s?«
Er sah mich matt an. »Was wollten Sie denn, Veum?«
»Sie meinen nicht, es könnte helfen, wenn ich mit ihm reden
würde?«
    »Er sitzt in U-Haft, Veum. Die lassen keine Menschenseele zu
ihm rein, die nicht einen äußerst triftigen Grund hat.«
»Wer ist sein Anwalt?«
»Vidar Waagenes, der Arsch. Aber ich hab Sie gewarnt,
oder?«
Ich sah ihn an. Obwohl er klang wie immer, war es doch nicht
derselbe alte Muus, der da saß. Er hatte etwas Resigniertes und
Müdes an sich, als sei der rote Kreis auf seinem Wandkalender
alles, was ihn aufrecht hielt.
Ich beugte mich vor. »Ich war gestern kurz hier. Helleve hat
mir grünes Licht gegeben, meine Nachforschungen im Prostitutionsmilieu anzustellen.«
»Ach ja?«
»Ich meine, wir wissen, daß Torild Skagestøl …«
»Veum!« Er schloß die Augen, als ich nur den Namen erwähnte.
»Nein, hören Sie zu, Muus, ich hab Ihnen was zu sagen.«
Er öffnete die Augen wieder und nickte resigniert. »Na gut, na
gut!« sagte er mit müder Miene und lehnte sich schwer im
Sessel zurück.
»Wir wissen, daß sie in einer Reihe von Lokalen verkehrte,
die, wie wir wissen, mit diesem Milieu in Verbindung stehen.
Ich habe mit einer Frau gesprochen, die sie als diejenige
wiedererkannte, die mit Richter Brandt zusammen war, an dem
Tag, als …«
Er stampfte hart mit beiden Füßen auf den Boden und richtete
sich auf. »Veum!«
»Und ein Lokal, in dem sie oft verkehrte, war die Spielhalle Jimmy, von der die Zeitungen heute auch berichten, und die die
meisten als eine offensichtliche Vermittlungszentrale betrachten,
und da rede ich nicht von Telefongesprächen, Muus, ich rede
von Geschäften.«
Ich ließ mir die Initiative nicht aus der Hand nehmen. »Ein
Tip, den ich von den Frauenrechtlerinnen bekommen habe, die
für die Demonstration gestern abend in der C. Sundts Gate
verantwortlich sind, geht in Richtung der Bar im ehemaligen Week End, das heutige Pastell, das eine entsprechende Kontaktstelle sein soll. Und wem gehören sowohl das Jimmy als auch
das Pastell, Muus? Keinem anderen als Birger Bjelland, dem
verlorenen Sohn aus Stavanger!«
Er sah mich streng an. »Das unterliegt einer anderen Abteilung, Veum.«
»Auch wenn es in direktem Zusammenhang mit dem Mord

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